12.07.2015 Aufrufe

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

116das Lehen, <strong>und</strong> aus Furcht vor der öffentlichen Schande tötete sieihn. Zwar beichtete sie ihren Frevel, aber da sie den Eat ihresBeichtvaters nicht achtete, fiel sie von neuem <strong>und</strong> wurde wiederzur Mörder<strong>in</strong>, <strong>und</strong> so auch noch e<strong>in</strong> drittes Mal. Nun überkamsie die Verzweiflung, da sie so unerhört gesündigt hatte. Unde<strong>in</strong>es Tages schickte sie alle Mägde aus dem Hause <strong>und</strong> erhängtesich. Aber der Strick riß, <strong>und</strong> sie blieb am Leben. Da nahm sie e<strong>in</strong>Messer <strong>und</strong> stach es sich <strong>in</strong> die Brust, <strong>und</strong> da sie noch nicht totwar, f<strong>in</strong>g sie e<strong>in</strong>e Menge Sp<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> verschluckte sie gierig, umden Tod zu f<strong>in</strong>den. Und so war sie fast bewußtlos. Da er<strong>in</strong>nertesie sich, daß sie gehört hatte, daß die Barmherzigkeit der seligenJungfrau unendlich groß sei, <strong>und</strong> obschon sie <strong>in</strong> ihren Sündendah<strong>in</strong>gelebt hatte, hatte sie doch nicht unterlassen, ihr zu Ehrenmanches gute Werk zu tun. So schöpfte sie Hoffnung <strong>und</strong> riefaus <strong>in</strong>nigem Herzen die Mutter der Barmherzigkeit an. Und siehe,die Retter<strong>in</strong> ersche<strong>in</strong>t ihr zur rechten Zeit <strong>und</strong> macht ihr Vorwürfewegen ihrer Verzweiflung, da sie doch wisse, daß ihre <strong>und</strong>ihres Sohnes Erbarmung alle Sünden der Welt übersteige. Dannspricht Maria: „Fasse nur den Vorsatz, von nun an de<strong>in</strong> Lebenzu bessern." Damit reichte sie ihr die Hand <strong>und</strong> hob sie empor,<strong>und</strong> das Weib war wieder ges<strong>und</strong>, <strong>und</strong> Maria versprach, ihr <strong>in</strong>drei Tagen e<strong>in</strong>en Beichtvater zu senden, dem sie sich getrost anvertrauenkönnte, <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Rat sie befolgen sollte. Und amdritten Tage kam der Magister Zoe. Das Weib wußte, daß erihr von Maria gesandt war, <strong>und</strong> sie folgte se<strong>in</strong>em Rate <strong>und</strong> führtevon nun an e<strong>in</strong> äußerst frommes Leben. So wurde sie aus ihrerVerzweiflung von der Mutter der Barmherzigkeit errettet.107.Von dem Teufelsvertrage <strong>des</strong> Theophilus.lWir s<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sequenz: Die du den Theophilus <strong>in</strong>Gnaden aufgenommen hast. Das wollen wir, so wie uns die Vorfahrenüberlieferten, näher erklären. Jener Theophilus war Bischof<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er berühmten Kirche <strong>und</strong> führte e<strong>in</strong> solches Leben, daß er<strong>in</strong> hohen Ehren stand. Da aber die Verleumdung ständig dieGuten verfolgt, geschah es auch ihm, daß er gr<strong>und</strong>los von Nebenbuhlernverdächtigt wurde. Und als er e<strong>in</strong>mal von der schweren

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!