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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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3416.Geduldüberw<strong>in</strong>det den Teufel.Man liest, daß <strong>in</strong> der Nähe von Kom e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> Kloster heiligmäßigerNonnen lag, die sehr vornehmer Abkunft waren <strong>und</strong> e<strong>in</strong>äußerst strenges Leben führten. Manche von ihnen aßen nur alledrei Tage, manche alle vier, e<strong>in</strong>ige aber erst jeden fünften Tagetwas Brot; Fleisch Käse <strong>und</strong> Eier aber aßen sie nie; den We<strong>in</strong>mieden sie streng. In dieses Kloster kam e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong>e Witwe ausdem edlen Geschlechte <strong>des</strong> Kaisers Theodosius, um dort zu beten;<strong>und</strong> sie war begleitet von ihrer Tochter Eufrasia. Und als siesich dem Gebete der Schwestern empfohlen hatten <strong>und</strong> von ihnenAbschied nahmen, um heimzukehren, sprach die Mutter zu ihrerTochter: „Nun wollen wir nach Hause gehen." Doch diese entgegnet:„0 me<strong>in</strong>e Mutter, ich bliebe so gern hier bei diesenFrauen." Da we<strong>in</strong>t die Witwe <strong>und</strong> spricht: „Wie glücklich wäreich, me<strong>in</strong> liebes K<strong>in</strong>d, wenn dich dieses Kloster aufnehmen möchte."Und da Eufrasia nicht mehr zu bewegen war, das Kloster zu verlassen,empfahl die edle Frau ihre Tochter dem Herrn <strong>und</strong> kehrtealle<strong>in</strong> heim. Die Jungfrau aber begann mit göttlichem Beistandee<strong>in</strong> Leben voll Abtötung <strong>und</strong> Geduld, <strong>und</strong> sie diente Gott <strong>in</strong>eifrigem Gebete <strong>und</strong> ununterbrochenen Betrachtungen; dabeire<strong>in</strong>igte sie die Geräte der Küche <strong>und</strong> <strong>des</strong> Hauses, wusch <strong>und</strong> spalteteHolz; <strong>und</strong> doch war sie immer die Erste beim Gottesdienst <strong>in</strong>der Kirche. So diente sie Gott <strong>in</strong> ihrem Eifer, <strong>und</strong> alle acht Tagenahm sie etwas Brot <strong>und</strong> Wasser, andere Nahrung mied sie ganz ;<strong>und</strong> sie war so eifrig <strong>in</strong> ihrer Arbeit für die anderen Nonnen,daß man sie e<strong>in</strong> ganzes Jahr nicht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Mal sitzen <strong>und</strong>sich ausruhen sah. Der Herr aber verlieh ihr die Gnade derBetrachtung <strong>in</strong> so hohem Maße, daß man oft glaubte, sie weileunter Engelscharen. Das sah der Teufel, der Fe<strong>in</strong>d aller Tugend,<strong>und</strong> da er ihr <strong>in</strong> ihren Betrachtungen nichts anhaben konnte, trater oft <strong>in</strong> sichtbarer Gestalt vor sie <strong>und</strong> plagte sie <strong>in</strong> mannigfacherWeise. E<strong>in</strong>es Tages spaltete sie Holz; da kam der Teufel <strong>und</strong>stieß sie so heftig, daß sie sich mit dem Beile am Fuße e<strong>in</strong>escliwere W<strong>und</strong>e schlug. Der starke Blutverlust schwächte sie so,daß sie der Ohnmacht nahe war. Doch als die anderen Schwesternherbeieilten <strong>und</strong> sie h<strong>in</strong>wegtragen wollten, rief sie: „Es sei ferne

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