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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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134132.Von dem Auge Gottes.E<strong>in</strong> Mönch wurde so lange von der Versuchung, Fleisch zuessen, gepe<strong>in</strong>igt, bis er zu se<strong>in</strong>er Schwester g<strong>in</strong>g <strong>und</strong> sie bat, siemöchte ihm an irgend e<strong>in</strong>em verborgenen Orte e<strong>in</strong> Fleischgerichtzurecht machen. Sie tat es, <strong>und</strong> als der Mönch an e<strong>in</strong>em Fenstersaß <strong>und</strong> essen wollte, sprach er zu se<strong>in</strong>er Schwester: „Ich sitzehier nicht günstig; man könnte mich sehen." Und er verlangtee<strong>in</strong>en Platz unter dem Schaffe. Als er aber das Auge erhob, erblickteer über sich e<strong>in</strong> Auge, das auf ihn niedersah. Da ließer das Fleischgericht stehen <strong>und</strong> kehrte voll Bestürzung <strong>und</strong> Keueim Herzen <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Kloster zurück, aber vor Scham wagte ernicht, se<strong>in</strong>e Sünde zu beichten. Doch nahm er sich als Bußevor, niemandem e<strong>in</strong>en Dienst abzuschlagen, um den er im NamenGottes gebeten werden würde. Gott aber, der will, daß alleMenschen selig werden, wollte nicht, daß er verloren g<strong>in</strong>g. Under kam unter der Gestalt e<strong>in</strong>es Aussätzigen zu dem Klostertore,an dem jener Mönch Wache hielt, <strong>und</strong> bat um der Liebe Gotteswillen um e<strong>in</strong>e Gabe. Als er e<strong>in</strong> Almosen erhalten hatte, klopfteer von neuem. Da sprach der Mönch: „Du tust unrecht, daß duschon wieder klopfst, aber es soll geschehen, was du willst."Und der Aussätzige bittet: „Wasch mir me<strong>in</strong> Haupt." Der Mönchwird unwillig, aber um der Liebe Gottes willen wäscht er es, <strong>und</strong>da erblickt er auf se<strong>in</strong>em Scheitel e<strong>in</strong> Auge. Verw<strong>und</strong>ert fragt er:„Was ist das?" Und der Aussätzige antwortet: „Das ist das Auge,das sah, wie du unter dem Schaffe das Fleisch essen wolltest."Erschreckt s<strong>in</strong>kt der Mönch dem Herrn zu Füßen <strong>und</strong> fleht umVergebung. Der Herr aber spricht: „Ich wollte nicht, daß duverloren se<strong>in</strong> solltest. Daher kam ich hierher. Geh h<strong>in</strong> <strong>und</strong>beichte de<strong>in</strong>e Sünden. Dann wirst du gerettet werden." Undder Mönch tat, wie ihm der Herr befohlen hatte, <strong>und</strong> erlangte dieewigeSeligkeit.Die133.Rügengiocke.E<strong>in</strong> König war so gerecht, daß er niemandem Gerechtigkeit<strong>und</strong> Gericht versagte. Dieser erbl<strong>in</strong>dete 5<strong>und</strong> er überließ se<strong>in</strong>em

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