Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

137„Herr Jesus Christus, ich habe dich zum Richter angerufen, oifenbajejetzt dein Urteil." Und die Hostie erhob sich in die Luftund schwebte in seinen Mund.135.Von dem himmlischen Lohne des Gehorsams.Einst lebte ein alter Einsiedler in einer Höhle in der Thebais.Der hatte einen auservvählten Schüler. Er hatte aber die Gewohnheit,ihn abends zu lehren und dann schlafen zu schicken. EinesAbends jedoch schlief der Greis während seines Unterrichts ein,und der Schüler wollte schon weggehen. Da erkannte er, daß dieserEntschluß eine Versuchung war,und widerstand ihr siebenmal undblieb. Erst nach Mitternacht erwachte der Greis und sah, daßsein Schüler noch an derselben Stelle saß. Und er fragte: „Bisjetzt bist du nicht fortgegangen?" Dann schickte er ihn weg.Als nun der Greis allein da saß, wurde er im Geiste entrückt, undes zeigte ihm jemand einen herrlichen Ort und einen Sessel, undauf dem Sessel sieben Kronen, und als er fragte, wem das bestimmtsei, erhielt er die Antwort: „Deinem Schüler. Diesen Ort undden Sitz schenke ich ihm, und die sieben Kronen verdiente er indieser Nacht." Als der Greis dies hörte, rief er zitternd seinenSchüler und sprach zu ihm: „Sage mir, was du heute Nacht getanhast." Dieser aber war sich keiner bösen Tat bewußt und konntenichts antworten. Doch er sprach: „Verzeihe mir, Vater, ichweiß nichts, außer daß ich siebenmal einschlafen wollte und demwiderstanden habe, weil ich von dir nicht entlassen worden war."Da erkannte der Greis alsbald, daß sein Schüler so oft eine Kroneverdient hatte, als er der Versuchung widerstanden hatte.136.Von den Einsiedlern, die die Fastenzeit im heiligen Gesprächeverbrachten.Vor dem Beginn der Fastenzeit rief ein Einsiedler seinenNachbar zu sich. Als sie beieinander saßen, begannen sie, bevorsie zu körperlicher Speise griffen, über das ewige Leben zu sprechen;