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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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218nun war ich dort auf Wache <strong>und</strong> hielt den Edelste<strong>in</strong>. Und alsich so den Turm schon mehrere Tage bewacht hatte, da fiel derSte<strong>in</strong> zufällig aus me<strong>in</strong>er Hand. Und alsbald drangen Diebe e<strong>in</strong><strong>und</strong> schleppten e<strong>in</strong>en großen Teil <strong>des</strong> Schatzes h<strong>in</strong>weg. Da erwachteich, <strong>und</strong> mich überkam die Angst vor dem strengen Urteile<strong>des</strong> Königs, <strong>und</strong> ich entfloh <strong>in</strong> diese E<strong>in</strong>öde. Als ich euch nunsah, da glaubte ich, ihr wäret die Diener jenes Königs, <strong>und</strong> ergriffdie Flucht vor euch, damit ich nicht gefangen <strong>und</strong> vor den Königgeführt würde, dem durch me<strong>in</strong>e Nachlässigkeit e<strong>in</strong> solcher Schatzverloreng<strong>in</strong>g.Als jene Menschen die Geschichte vernommen hatten, batensie ihn um ihre Deutung. Und er deutete sie ihnen auf folgendeWeise: Dieser König ist Gott, der König der Könige <strong>und</strong> der Herrder Heerscharen. Der Turm ist der Mensch, <strong>in</strong> den Gott e<strong>in</strong>engroßen Schatz von Gnaden <strong>und</strong> Tugenden legte. Der Wächter,der den Turm hüten soll, ist der Verstand oder die Vernunft. Solangedie Vernunft wacht, können die Diebe, das s<strong>in</strong>d die Laster <strong>und</strong>Sünden, nicht <strong>in</strong> den Turm h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> den Schatz der Gnaden<strong>und</strong> Tugenden rauben. Doch sobald die Vernunft <strong>in</strong> Schlaf vers<strong>in</strong>kt,treten die Laster <strong>und</strong> Sünden e<strong>in</strong> <strong>und</strong> rauben Gnaden <strong>und</strong>Tugenden. Daher mahnt uns der Herr, zu wachen im Lichte,<strong>in</strong>dem er spricht: „Wenn der Hausvater wüßte, zu welcher St<strong>und</strong>eder Dieb kommt, dann würde er wachen <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Haus nichtdurchwühlen lassen." Deshalb gab er uns e<strong>in</strong>en Edelste<strong>in</strong>, das istdas Gedächtnis <strong>des</strong> To<strong>des</strong>, das uns vor dem Schlafe der Sündebewahrt, wie es <strong>in</strong> der heiligen Schrift heißt: „Gedenke der letztenD<strong>in</strong>ge, <strong>und</strong> du wirst <strong>in</strong> Ewigkeit nicht sündigen." Wem dieser Edelste<strong>in</strong>entfällt <strong>und</strong> wem so der Schlaf der Sünde <strong>in</strong>s Herz zieht, derwird sterben, „denn der Sold der Sünde ist der Tod". „Die Sünde,sobald sie getan ist, zeugt den Tod." Und dann fuhr ich weiterfort: Als ich sah, daß ich den Sündenschlaf geschlafen <strong>und</strong> dieGnade Gottes verloren hatte, fürchtete ich beim Erwachen das Urteil<strong>des</strong> ewigen Königs <strong>und</strong> tat Buße <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>öde, <strong>in</strong> die ichentflohen war, <strong>und</strong> bat Gott <strong>in</strong>nig, daß er mir für me<strong>in</strong>e SündenVerzeihung gewähren möchte.

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