12.07.2015 Aufrufe

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

194noch Jäger beachteten. Als die Jäger auf dem anderen Abhänge<strong>des</strong> Berges h<strong>in</strong>abkamen, erblickten sie vor sich e<strong>in</strong>e üppigeWiese, auf der sie zwei Hirsche <strong>in</strong> fetter Weide sahen, die aberganz dürr waren <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en traurigen Anblick boten. Und alssie weiterzogen, sahen sie e<strong>in</strong>en herrlichen Baum, auf dem Vögelmannigfacher Art saßen, die die süßesten Weisen sangen. Dochals sie unter dem Baume standen <strong>und</strong> dem Gesänge der Vögellauschten, sahen sie, wie plötzlich vom Himmel e<strong>in</strong> gewaltigerVogel mit ausgebreiteten Schw<strong>in</strong>gen niederschoß <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emUngestüm jenen Baum vollständig zerschmetterte, so daß alleVögel, die auf ihm ihre frohen Lieder gesungen hatten, traurigaufschrien <strong>und</strong> voll Schrecken davonflogen. Nach diesem Gesichtezogen sie weiter <strong>und</strong> kamen zu e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>siedler mit NamenJohannes, mit dem sie über se<strong>in</strong>e Hütte im Walde <strong>und</strong> über denGr<strong>und</strong>, warum er so alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> diesem Walde lebte, <strong>in</strong>s Gesprächkamen. Und er antwortete ihnen: „Ich habe mich hierher zurückgezogen,um die Sünden <strong>und</strong> Torheiten dieser Welt zu fliehen<strong>und</strong> die Weisheit <strong>und</strong> die Freuden <strong>des</strong> Himmels kennenzu lernen, die niemand, der <strong>in</strong> der Welt lebt, kennenlernen kann." Wie nun diese Menschen von dem E<strong>in</strong>siedler e<strong>in</strong>eso weise Antwort vernahmen, da erzählten sie ihm ihre Gesichtevon Anfang bis zu Ende, Er aber deutete ihnen alles aufs e<strong>in</strong>gehendste<strong>und</strong> sprach: „Die ersten Hirsche, die so feist waren<strong>und</strong> niemand fürchteten, bedeuten alle guten Menschen, die imDienste Gottes beharren. Daher spricht Gregorius: »Wer se<strong>in</strong>Wohlgefallen am Dienste Gottes f<strong>in</strong>det, dem ersche<strong>in</strong>t alle Bitternissüß.« Keichtümei schützen nicht vor dem Tode, Ehren nichtvor den Würmern, Vergnügen nicht vor der Verwesung, derPrunk der Welt nicht vor der ewigen Verdammnis.Daher fürchtensie niemanden als die Sünde. Deswegen fliehen sie die Welt <strong>und</strong>alles, was <strong>in</strong> der Welt ist, weil sie sich nicht mit irdischenWerken abgeben wollen. Sie wollen arm bleiben, weil geschriebensteht: »Selig s<strong>in</strong>d die Armen im Geiste.«" Diese Deutung gefieljenen Menschen sehr. Darauf fragten sie ihn nach derDeutung <strong>des</strong> zweiten Hirschpaares. Und er antwortete ihnen :„Die Hirsche, die ihr auf der zweiten Wiese saht, die auf guterWeide hungrig <strong>und</strong> dürr <strong>und</strong> traurig aussahen, bedeuten jenehabsüchtigen Menschen, die nie genug Geld bekommen können

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!