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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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35von mir, daß ich me<strong>in</strong>em Fe<strong>in</strong>de <strong>und</strong> dem Widersacher me<strong>in</strong>eshimmlischen Bräutigams e<strong>in</strong>en solchen Triumph bereite! Ich willalle<strong>in</strong> gehen." Und als sie die Treppe h<strong>in</strong>aufschritt, fügte es derTeufel, daß sie strauchelte <strong>und</strong> so unglücklich herabstürzte, daßihr e<strong>in</strong>es der Holzscheite, die sie trug, <strong>in</strong>s Auge drang. Doch alsdie Schwestern voll Sorge <strong>und</strong> Schrecken aufschrien, sprach Eufrasia :„Es lebt me<strong>in</strong> Herr, <strong>und</strong> so wird mich der Teufel nicht besiegen!"Und als sie die Treppe h<strong>in</strong>aufg<strong>in</strong>g, stürzte sie der Teufel vomdritten Treppenabsatze h<strong>in</strong>ab. Da glaubten alle, daß sie tot wäre;aber als sie herbeieilten, siehe, da kam ihnen Eufrasia entgegen<strong>und</strong> trug ihre Bürde Holz. Und als man sie wieder bat, siemöchte sich doch Kühe gönnen, sprach sie: „Das kann ich nichttun, ich muß den Schwestern <strong>in</strong> der Küche helfen." Kaum aberwar sie dort, da goß ihr der Teufel kochen<strong>des</strong> Wasser über dasGesicht. Sie jedoch merkte es gar nicht, so sehr war sie <strong>in</strong> ihrGebet versunken. Die Äbtiss<strong>in</strong> hörte davon <strong>und</strong> sprach zu denNonnen: „Wißt ihr nicht, liebe Schwestern, daß Eufrasia Gnadegef<strong>und</strong>en hat bei dem Herrn? In drei Tagen wird sie <strong>in</strong> denHimmel e<strong>in</strong>gehen." Bei diesen Worten brachen die Schwestern<strong>in</strong> lautes We<strong>in</strong>en aus. Und als es e<strong>in</strong>e von ihnen der SchwesterEufrasia erzählte, da begann sie ebenfalls zu we<strong>in</strong>en <strong>und</strong> sprach:„Warum, o Herr, willst du de<strong>in</strong>e Magd von der Erde nehmen,ohne daß du ihr Zeit zur Buße läßt? Ich habe doch erst begonnen,mit de<strong>in</strong>er Gnade gegen den Widersacher zu kämpfen;ich hab erst empf<strong>und</strong>en, wie süß es ist, dich zu betrachten." Sorief sie zwei Tage lang unter Tränen. Am dritten Tage aberüberkam sie e<strong>in</strong> heftiges Fieber, <strong>und</strong> immer betete sie noch, derHerr möge ihr Gelegenheit zur Buße geben. Die Schwesterntraten an das Lager Eufrasias heran <strong>und</strong> baten sie um ihre Fürbittebei dem Herrn. Sie aber offenbarte ihnen, daß nach GottesKatschluß am fünften Tage nach ihrem Tode die Schwester Juliana<strong>und</strong> die Äbtiss<strong>in</strong> <strong>in</strong> die ewige Seligkeit abberufen werden würden.Und als die Schwestern fragten, wor<strong>in</strong> diese Seligkeit bestehe,sprach sie: „Des Menschen Auge hat es nicht gesehen, <strong>des</strong>Menschen Ohr hat es nicht gehört, <strong>und</strong> <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>es Menschen Herzist es gedrungen, was Christus all denen bereitet hat, die e<strong>in</strong>beschauen<strong>des</strong>Leben führen."

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