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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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185sich zu rühmen, wie wenn jemand lügt, er habe vornehme Verwandteoder großen Reichtum, oder er habe Glück bei den Frauen.Zweitens lügt der Mensch aus Gewohnheit, weil er mit se<strong>in</strong>enLügen so weit gekommen ist, daß er es gar nicht mehr weiß,wenn er es tut. Drittens lügt der Mensch, um sich zu ehren, sowenn jemand sagt, er sei im Dienste e<strong>in</strong>es adligen oder fürstlichenHerrn, damit er bessere Aufnahme f<strong>in</strong>det. Viertens lügt man,um Heiterkeit zu erregen, <strong>in</strong>dem man Lügenmärle<strong>in</strong> erzählt.Fünftens geschieht es aus Neid, um jemanden bei se<strong>in</strong>em Herrndurch Lügen anzuschwärzen, wie es die Greise getan haben, dieSusanna anklagten. E<strong>in</strong>e Glosse spricht: „Wer falsches Zeugnisgibt, um den Nächsten um se<strong>in</strong>en guten Ruf zu br<strong>in</strong>gen, der gibtse<strong>in</strong>e Ehre <strong>und</strong> das Heil se<strong>in</strong>er Seele preis." Sechstens geschiehtes um <strong>des</strong> Gew<strong>in</strong>nes willen. Das f<strong>in</strong>det man am öftesten bei Kaufleuten,Hausierern, Spielern <strong>und</strong> Handwerkern, die betrügerisch Geldverlangen, um sich zu bereichern.Solche Leute gleichen den Dieben,die es eiliger zum Galgen als zur Himmelstür haben. Siebentenslügt man, um den Zorn zu beschwichtigen; so wollen die Schülerdem Lehrer, die Diener ihrem Herrn, die Weiber ihre Männern,wenn sie etwas Unrechtes getan haben, nicht die Wahrheit gestehen,um sie nicht zu erzürnen. Auf welche Weise man nunauch lügen mag, immer ist es e<strong>in</strong>e Todsünde <strong>und</strong> das Verderben<strong>des</strong> Leibes <strong>und</strong> der Seele. Der erste Mann, den der E<strong>in</strong>siedlernackt im Wasser sitzen sah, <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen Rücken das Wasserre<strong>in</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>floß, um aus se<strong>in</strong>er Brust wieder schmutzig herauszukommen,ist das Bild jener Menschen, die das Wort Gottes <strong>in</strong>der Predigt anhören. Aber nachher, wenn sie aus der Kirchekommen, machen sie sich darüber lustig. Von ihnen sprichtJohannes <strong>in</strong> der Apokalypse: „Weh euch, die ihr Lügen vorbr<strong>in</strong>gt<strong>und</strong> die Wahrheit verkehrt, <strong>und</strong> wehe euch, die ihr das Wort <strong>und</strong>die Lehre, die euch vorgetragen wird, verachtet <strong>und</strong> zum Gespöttmacht, <strong>und</strong> abermals wehe euch, die ihr das Wort Gottes, daseuch zu eurem Heile verkündet wird, nicht achtet!" Und dieGlosse sagt: „Das Wort ist die Speise Gottes." Der zweite Mann,dem das schmutzige Wasser zum Rücken h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>floß <strong>und</strong> re<strong>in</strong> zurBrust herauskam, ist das Bild jener glücklichen Menschen, die dasWort Gottes fromm vernehmen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Lehren treu im Gedächtnisbewahren <strong>und</strong> so noch frömmer werden <strong>und</strong> Frucht

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