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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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79G7.Von e<strong>in</strong>em Enthaupteten, der auf Marias Befehl feierlichbestattetwurde.E<strong>in</strong>st lebte e<strong>in</strong> Räuber, dem e<strong>in</strong>es Tages e<strong>in</strong> Mönch auf derLandstraße begegnete. Zu diesem sprach der Räuber: „Folgemir nicht, denn ich würde dich ermorden." Doch der Mönchfolgte ihm <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Höhle <strong>und</strong> fragte <strong>in</strong> der Hoffnung, ihn zurReue führen zu können, was er für e<strong>in</strong> Mensch sei. Der Räuberantwortete ihm, er lebe vom Raube <strong>und</strong> habe nie <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Lebenetwas Gutes getan, <strong>und</strong> was aus se<strong>in</strong>er Seele werden sollte, darumhätte er sich nie gekümmert. Der Mönch fragt ihn weiter: „Willstdu mir folgen, wenn ich dir den Weg <strong>des</strong> Heiles zeigen kann?"Und der Räuber antwortete: Ja. Da spricht der Mönch: „Fastean e<strong>in</strong>em Wochentage, am Sonnabend, zu Ehren der JungfrauMaria <strong>und</strong> tu an diesem Tage niemandem etwas zu Leide; dannwisse, daß du durch sie bei ihrem hochgelobten Sohne Gnadefmden wirst." Das tat er auch, <strong>und</strong> überdies entriß er amSonnabende viele Menschen aus den Händen ihrer Fe<strong>in</strong>de. Nichtlange darauf aber wird jener junge Räuber an e<strong>in</strong>em Sonnabendevon se<strong>in</strong>en Fe<strong>in</strong>den gefangen genommen, <strong>und</strong> er läßt sich ohneWiderstreben zum Tode am Galgen verurteilen. Doch rührt se<strong>in</strong>eSchönheit die Richter, <strong>und</strong> sie wollen ihm das Leben schenken,wenn er den Eid leistet, se<strong>in</strong>e Heimat <strong>und</strong> ihre Gegend zu meiden.Er aber spricht: „Es ist besser, daß ich hier me<strong>in</strong>e Sünden büßeals im Jenseits." Und er bekannte öffentlich alle se<strong>in</strong>e Freveltaten<strong>und</strong> wurde auf se<strong>in</strong> eigenes Verlangen h<strong>in</strong> enthauptet. Dannbegräbt man ihn außerhalb der Stadt. In der folgenden Nachtaber nahen sich se<strong>in</strong>em Grabe fünf edle Frauen; vier von ihnentragen se<strong>in</strong>en Leib, die fünfte folgt ihnen mit Kerzen <strong>in</strong> der Hand.Und als sie zum Stadttore kommen, glauben die Wächter, daß ese<strong>in</strong> Geisterspuk ist. Die edle Frau mit den Kerzen aber sprichtzu ihnen: „Sagt eurem Bischöfe, er solle me<strong>in</strong>en Ritter, den ihrheute enthauptet habt, <strong>in</strong> der Kirche mit allen Ehren beisetzen.Ich b<strong>in</strong> die Jungfrau Maria." Der Bischof kommt <strong>in</strong> feierlicherProzession herbei <strong>und</strong> f<strong>in</strong>det das abgeschlagene Haupt wieder mitdem Leibe <strong>des</strong> Räubers vere<strong>in</strong>igt <strong>und</strong> den Leichnam <strong>in</strong> Purpurgehüllt. Und er erfüllte den Befehl Marias.

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