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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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165ihn fürchteten. Der König fürchtete den Tod so, daß man ihnnie hi,chen sah, <strong>und</strong> das quälte alle, die um ihn waren; doch niemandwagte, ihn zu fragen, warum er niemals lache. Der Könighatte aber e<strong>in</strong>en Bruder, der so, wie es der Kitterschaft behagte,se<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Freuden <strong>und</strong> <strong>in</strong> Festen verbrachte. An diesen Bruderwandten sich die Großen jenes Lan<strong>des</strong> <strong>und</strong> baten ihn <strong>in</strong>ständig,daß er zum Könige g<strong>in</strong>ge <strong>und</strong> ihn fragte, warum er trotz se<strong>in</strong>esRuhmes <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Reichtümer nicht se<strong>in</strong>es Lebens froh sei <strong>und</strong>se<strong>in</strong>e Ritter h<strong>in</strong> <strong>und</strong> wieder durch e<strong>in</strong> frohes Gesicht erfreue, dadoch schon Salomon spreche: „Besser ist e<strong>in</strong> Bissen Brot <strong>und</strong> e<strong>in</strong>froh Gesicht, als e<strong>in</strong> Haus voll Schätze <strong>und</strong> e<strong>in</strong> trauriges Herz."Und der Bruder <strong>des</strong> Königs erfüllte ihren Wunsch. Der Königaber entgegnete ihm voll Unwillen auf se<strong>in</strong>e Frage: „Was mir dasLachen <strong>und</strong> die Freude raubt auf dieser Welt, das soll dir aufder Stelle offenbart werden." Damit gab er den Befehl, ihn festzunehmen.Dann rief er alle Ritter zusammen <strong>und</strong> ließ unverzügliche<strong>in</strong> hohes Podium errichten; darauf ließ er den Bruderstellen, ihn vollständig entkleiden bis auf die Hose, die er trug,<strong>und</strong> ihm die Hände fesseln. So mußte er sich dort niedersetzen.Darauf befahl der König, man solle vier recht spitze Lanzenbr<strong>in</strong>gen. Die reichte er vier Dienern <strong>und</strong> befahl ihnen strengstens,zu se<strong>in</strong>em Bruder heranzutreten <strong>und</strong> die Lanzenspitzen auf ihnzugewandt zu halten, e<strong>in</strong>e gegen die rechte, die andere gegen diel<strong>in</strong>ke Seite, die dritte gegen die Brust, die vierte gegen denRücken. Und er befahl, so daß es se<strong>in</strong> Bruder hören mußte, ihn<strong>in</strong> dem Augenblicke, wo er e<strong>in</strong> Zeichen der Freude äußerte, mitden vier Lanzen zu durchstechen. Bei diesem Befehle <strong>des</strong> Königserschrak der Bruder so, daß er wie von S<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> ganz lebloswar. Als das der König sah, sprach er zu ihm: „Warum freustdu dich nicht; wer raubt dir de<strong>in</strong>e Freude?" Dieser entgegnete :„Ich wage aus Furcht vor dem Tode nicht, mich zu freuen, janicht e<strong>in</strong>mal, mich zu bewegen. Denn wenn ich mich regte, dannwürden, wie du es befohlen hast, mir alle Lanzen <strong>in</strong> das Herzgestoßen werden." Der König aber fragte weiter: „Wenn du e<strong>in</strong>enMenschen sähest, der von solcher Angst gepe<strong>in</strong>igt e<strong>in</strong> freudelosesLeben führte, wür<strong>des</strong>t du den verachten?" Der Bruder sprach:Ne<strong>in</strong>. Der König aber fuhr fort: „Ich b<strong>in</strong> der Mensch, densolche Angst belierrscht. Gegen me<strong>in</strong> Herz^ s<strong>in</strong>d vier sehr scharfe

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