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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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22selbst auf die Weide trieb. Der E<strong>in</strong>siedler g<strong>in</strong>g zu ihm h<strong>in</strong>aus<strong>und</strong> fand auch bei ihm freudigen Empfang <strong>und</strong> erhielt die E<strong>in</strong>ladung,zum Mahle mitzukommen. Doch der E<strong>in</strong>siedler entgegnete :„Ich werde nicht eher e<strong>in</strong>en Bissen zu mir nehmen, bevor du mirnicht gesagt hast, welchen besonderen Dienst du Gott erwiesenhast." Der andere aber erwiderte <strong>in</strong> aller E<strong>in</strong>falt: „EhrwürdigerVater, ich b<strong>in</strong> nur e<strong>in</strong> ungebildeter Mensch; ich weiß nicht, wieich me<strong>in</strong>em Schöpfer dienen könnte." Der E<strong>in</strong>siedler aber bat ihn<strong>in</strong>ständig, er möchte es ihm doch sagen. Endlich spricht Theotiskus:„Da es der Wille <strong>des</strong> Herrn ist, daß ich dirs offenbare,so wisse: Seit unserer Jugend haben wir bis <strong>in</strong> unser Alter <strong>in</strong>unserer Ehe die Jungfräulichkeit bewahrt, <strong>und</strong> bis heute hatnoch ke<strong>in</strong> Wort der Zwietracht unsere Tage gestört, <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>esvon uns beiden hat den anderen mit e<strong>in</strong>em Schimpfworte gekränkt.Von dem Ertrag dieser Schafe aber verwende ich den e<strong>in</strong>en Teil,um Fremde <strong>und</strong> Arme zu bewirten; den zweiten Teil schenke ichder Kirche <strong>und</strong> ihren Dienern; von dem dritten aber ernähre ichmich mit me<strong>in</strong>em Weibe <strong>und</strong> me<strong>in</strong>em Ges<strong>in</strong>de."6.Der aussätzigeAlbertus.Es gibt ke<strong>in</strong> besseres Mittel gegen den Aussatz <strong>des</strong> Herzensals Wohlwollen <strong>und</strong> Mitleid. Man liest, daß e<strong>in</strong>st am Ehe<strong>in</strong> e<strong>in</strong>trefflicher Kitter, Albertus mit Namen, lebte, der wegen <strong>des</strong> Unglücks,das über ihn kam, den Be<strong>in</strong>amen „Der Arme" erhielt.Dieserwar reich <strong>und</strong> überaus gütig, aber über die Maßen der weltlichenRitterschaft ergeben.Deshalb wollte ihn der Herr züchtigen,<strong>und</strong> er blickte auf ihn mit Augen der Barmherzigkeit <strong>und</strong> mit derGüte e<strong>in</strong>es Vaters <strong>und</strong> ließ über ihn die Geißel <strong>des</strong> st<strong>in</strong>kendenAussatzes kommen. Der Eitter ertrug diese Züchtigung geduldigwie e<strong>in</strong> anderer Job <strong>und</strong> pries Gott <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Gaben. Als ihn aberwegen se<strong>in</strong>es schrecklich entstellten Antlitzes <strong>und</strong> <strong>des</strong> üblen Geruches,der an ihm haftete, se<strong>in</strong>e Knechte <strong>und</strong> Verwandten mieden<strong>und</strong> dieFre<strong>und</strong>e ihn nur noch wie e<strong>in</strong>en zweiten Job verhöhnten <strong>und</strong>se<strong>in</strong>e Güter an sich rissen, da erfüllte ihn Abscheu <strong>und</strong> Ekel vordem Treiben dieser Fre<strong>und</strong>e. Was ihm noch übrig blieb, gaber für die Ärzte aus, <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem Maße, wie ihm das Geld aus-

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