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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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10998.Von e<strong>in</strong>em Weisen, der e<strong>in</strong>em Toren folgte.E<strong>in</strong>st wanderten zwei Gefährten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e fremde Gegend, vonder sie gehört hatten, daß dort Friede <strong>und</strong> Keichtümer <strong>in</strong> Füllewären. Und wie sie so wanderten, kamen sie an e<strong>in</strong>e Stelle, ander sich der Weg teilte. Nach der e<strong>in</strong>en Seite g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> Pfad,der war sehr eng <strong>und</strong> führte durch Berge <strong>und</strong> Täler <strong>und</strong> wargar ste<strong>in</strong>icht <strong>und</strong> uneben, nach der anderen aber führte e<strong>in</strong> breiterWeg, der gut gangbar <strong>und</strong> eben angelegt war. Und wie sie nochüberlegten, welchen Weg sie wählen sollten, kamen Leute, dieihnen den Rat gaben, auf dem Pfade zu gehen, denn dieser führe <strong>in</strong>e<strong>in</strong> reiches Land, <strong>in</strong> dem sie die beste Aufnahme f<strong>in</strong>den würden;den breiten Weg dagegen sollten sie <strong>in</strong> jedem Falle meiden, denndort gäbe es grausame Gesellen, die die Vorüberziehenden verw<strong>und</strong>eten<strong>und</strong> <strong>in</strong> ihre Verließe e<strong>in</strong>sperrten, ohne daß man dieHoffnung habe, sich freikaufen zu können. Der klügere der beidenWanderer wollte ihrem Rate folgen; der törichte Gefährte aberhat gegen den schmalen Pfad alles Mögliche e<strong>in</strong>zuwenden <strong>und</strong>spricht: „Wenn der breite Weg so gefährlich wäre, dann hättenwir doch nicht so viele Wanderer darauf gesehen." Und derTörichte setzt dem Weisen so lange zu, bis dieser nachgibt. Undwirklich kommen die Räuber,<strong>und</strong> sie packen zunächst den Weisen,schlagen ihn, bis er bes<strong>in</strong>nungslos ist, <strong>und</strong> schleppen ihn fort.Der Törichte hat sich unter<strong>des</strong>sen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Grube verkrochen, <strong>in</strong>der er vor Angst die Bes<strong>in</strong>nung verliert. Die Räuber aber suchenihn, <strong>und</strong> als sie ihn aufgespürt haben, werfen sie ihn <strong>in</strong> den Kerker,<strong>in</strong> dem der Weise liegt. Dieser macht nun dem Törichten Vorwürfe;doch der erwidert: „Du warst ja sonst so weise, wiekonntest du da auf mich Toren hören?" So gehen die Schimpfredenh<strong>in</strong>über <strong>und</strong> herüber, <strong>und</strong> solange sie im Kerker lagen,haben sie sich nicht ausgesöhnt.Der weise Gefährte ist der Geist, der törichte das Fleisch..Beide streben zum Himmel, wo ewiger Friede herrscht <strong>und</strong> Freudens<strong>in</strong>d ohne Zahl. Den Weg dorth<strong>in</strong> aber weisen ihnen die Prediger,<strong>in</strong>dem sie den engen Pfad der Buße predigen. Doch der Leibwiderrät: „Du willst fasten, beten, wachen bis <strong>in</strong> die späte Zeit,

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