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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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67lebende Jungfrau lag im Gebete ausgestreckt vor dem Altaro.Da erschien ihr die Witwe hellstrahlend <strong>und</strong> sprach: „Ich komme,wie du es verlangt hast. Sieh, me<strong>in</strong> Glanz macht nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>genTeil me<strong>in</strong>es Lohnes aus. Selig der Tag, an dem ich geborenwurde!" Da faßte die Jungfrau Mut <strong>und</strong> erholte sich vonilirem Schrecken <strong>und</strong> fragte, wie es ihrer anderen verstorbenenMitschwester g<strong>in</strong>ge. Und die Witwe antwortete ihr: „Wenn dieganze Welt e<strong>in</strong> Pergamentblatt wäre, das Meer aber T<strong>in</strong>te <strong>und</strong>alle Blätter an Gras <strong>und</strong> Bäumen Schreiber, dann würde sichdies alles eher erschöpfen, bevor die Unendlichkeit ihrer Belohnungbeschrieben werden könnte. Nur weniges kann ich dir von ihrsagen. Um vieles übertrifft ihr Lohn den me<strong>in</strong>igen. Gesternführte sie mit dem schneeweißen Lamme Jesus Christus <strong>und</strong> mitder Schar der glänzenden himmlischen Jungfrauen den Keigenauf, <strong>und</strong> sie sangen e<strong>in</strong> ungehörtes Lied <strong>und</strong> trugen Kränze, dieaus w<strong>und</strong>erbaren Blüten gew<strong>und</strong>en waren; <strong>und</strong> ihr Anblick warfür uns Witwen, die wir im Kreise darumstanden, e<strong>in</strong>e unbeschreiblicheLust. Da bat ich sie, sie sollte mir wenigstens für e<strong>in</strong>eSt<strong>und</strong>e ihren Kranz leihen. Doch sie antwortete mir, das dürfesie nicht. Doch gab sie mir wenigstens e<strong>in</strong> paar von se<strong>in</strong>enBlüten, <strong>und</strong> die hab ich dir mitgebracht." Und sie zeichnete mitjenen Blüten e<strong>in</strong>en Kreis auf den Boden, <strong>und</strong> aus dem Kreisestieg e<strong>in</strong> so w<strong>und</strong>erbarer Wohlgeruch empor, daß die Jungfrauvon ihrem süßen Dufte <strong>in</strong> Verzückung geriet. Die Witwe aberkehrte zum Himmel zurück. Und viele Tage h<strong>in</strong>durch merktendie Menschen, die <strong>in</strong> das Kloster kamen, jenen himmlischen Duft.Daraus können wir entnehmen, welch herrliches Himmelsmahl diegenießen, die so w<strong>und</strong>erbare Rosen ausstreuen. Wohlan, guterJesus, nimm uns schnell zu dir <strong>und</strong> führe uns zu de<strong>in</strong>em Gastmahle!Amen.54.Von e<strong>in</strong>em Bischöfe von Naumburg <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em Slaven.E<strong>in</strong>st lebte e<strong>in</strong> Bischof der Naumburger Kirche, Theodericusmit Namen, der der seligen Jungfrau <strong>in</strong> besonderer Frömmigkeitergeben war. Maria aber erschien e<strong>in</strong>em Slaven, der ganz ungebildetwar, aber ihr fromm diente, <strong>und</strong> ließ durch ihn jenemBischöfe sagen, daß er ihr vor den Toren der Stadt e<strong>in</strong> Kloster

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