12.07.2015 Aufrufe

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

119E<strong>in</strong>siedler, der sie reichlich bewirtete <strong>und</strong> am Morgen <strong>in</strong> Friedenentließ. Der Engel aber entwendete ihm e<strong>in</strong>en silbernen Becher.In der folgenden Nacht kommen sie zu e<strong>in</strong>em anderen E<strong>in</strong>siedler,der sie ebenfalls wohlwollend <strong>und</strong> <strong>in</strong> Ehren bewirtet<strong>und</strong> ihnen am Morgen e<strong>in</strong>en Verwandten mitgibt, der ihnen denWeg weisen soll. Diesen Verwandten jedoch erwürgt der Engel<strong>in</strong> dem Augenblicke, wo er sich von ihnen verabschieden will.In der dritten Nacht nun kommen sie zu e<strong>in</strong>em Reichen, der sie<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Geize schlecht behandelt <strong>und</strong> ihnen kaum vor der Türzu übernachten gestattet. Am folgenden Morgen jedoch ruft derEngel den Eeichen <strong>und</strong> gibt ihm den Becher zum Geschenk.Dieser nimmt ihn an <strong>und</strong> schlägt dann die Tür vor ihnen zu <strong>und</strong>läßt sie ohne Dank <strong>und</strong> Abschiedsgruß davongehen. In der viertenNacht kommen sie zu e<strong>in</strong>em Mann, der e<strong>in</strong> Weib <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Sohnhat. Dieser erweist ihnen alles Gute. In der Nacht aber fälltdem Engel das Schreien <strong>des</strong> Knaben lästig, <strong>und</strong> er steht auf <strong>und</strong>ermordet ihn. Jetzt kann es der E<strong>in</strong>siedler nicht länger mit ansehen,<strong>und</strong> er spricht: „Was tust du da?" Der Engel aber erwidertihm: „Du hast gewagt, Gottes Urteile zu ergründen, <strong>und</strong>ich b<strong>in</strong> gesandt, sie dir zu enthüllen. Der erste, der uns aufnahm,war e<strong>in</strong>unschuldiger, heiliger Mensch, der nichts Unrechtesbei sich hatte als den Becher, den er unrechtmäßig erworbenhatte. Diesen nahm ich ihm wieder, <strong>und</strong> ich gab ihn jenemBösewichte <strong>und</strong> Geizhalse, <strong>des</strong>sen ganzer Besitz unrecht erworbenist, damit Böses zu Bösem komme <strong>und</strong> er durch diese irdischeGabe auf Erden belohnt werde, falls er etwas Gutes getan hat,auch wenn es uns unangenehm ist. Den Verwandten <strong>des</strong> zweitenMannes, der uns aufgenommen hat, erwürgte ich unterwegs <strong>des</strong>wegen,weil er se<strong>in</strong>en Verwandten <strong>in</strong> der folgenden Nacht zutöten beabsichtigte. Das habe ich verh<strong>in</strong>dert, denn es ist fürihn besser, wenn er im Jenseits nur die Strafe für se<strong>in</strong>e böse Absichterleidet als für die vollbrachte Tat. Den Knaben aber, der<strong>in</strong> der Nacht schrie, habe ich <strong>des</strong>wegen getötet, weil se<strong>in</strong>e Elternfrüher gastfrei waren, jetzt aber aus Liebe zu dem K<strong>in</strong>de nurauf Erwerb bedacht ihre Hand den Armen verschlossen haben."Als der E<strong>in</strong>siedler diese Offenbarungen vernommen hatte, kehrteer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zelle zurück <strong>und</strong> dankte Gott. So hat er fern vonder Welt e<strong>in</strong> seliges Ende genommen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!