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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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6450.Von e<strong>in</strong>er Jungfrau, die aus Liebe zu Maria auf den Tanz verzichtete.E<strong>in</strong>e Jungfrau, die aus ritterlichem Geschlechte <strong>und</strong> äußerstschön war, war dem Tanze leidenschaftlich ergeben. E<strong>in</strong> Bruderaber aus dem Predigerorden, der e<strong>in</strong>st <strong>in</strong> dem Hause ihres Vatersweilte, hörte von dieser Leidenschaft <strong>des</strong> Mädchens; doch sieleugnete es. Und da er um ihr Seelenheil besorgt war, fragteer sie: „Antworte mir die Wahrheit. Wenn dir die Wahl gelassenwürde, wür<strong>des</strong>t du für den Verzicht auf die Freuden e<strong>in</strong>ese<strong>in</strong>zigen Tages e<strong>in</strong> ganzes Jahr voll Vergnügen nach de<strong>in</strong>eneigenenWünschen e<strong>in</strong>tauschen; oder wür<strong>des</strong>t du nicht dafür, daß du e<strong>in</strong>Jahr lang den Tanz mei<strong>des</strong>t, dir gern die Möglichkeit e<strong>in</strong>tauschen,die schönsten Eeigen aufzuführen, so lange du lebst oder so langees dir gefällt? Du wür<strong>des</strong>t doch sicher das Jahr dem Tage, dieEwigkeit dem Jahre vorziehen?" Und sie antwortete: „Gewiß."Der Bruder aber fuhr fort: „Dann willst du auch die Weltlustverachten, um dafür mit Jesus Christus <strong>und</strong> der seligen Jungfrau<strong>und</strong> allen Heiligen ewiglich zu besitzen, wonach du dich sehnst?"Das Mädchen schwieg lange ;endlich aber antwortete sie unterder E<strong>in</strong>wirkung <strong>des</strong> göttlichen Geistes: „Ich würde es nur unterder e<strong>in</strong>en Bed<strong>in</strong>gung tun, daß ich dafür ewiglich die Freuden <strong>des</strong>Keigens genießen kann. Beweist mir also <strong>und</strong> zeigt mir, daßich im Himmel mich am Reigen erfreuen kann, <strong>und</strong> dann willich tun, was ihr mir ratet." Darauf spricht der Bruder: „BeiJeremias steht geschrieben im dreißigsten Kapitel: Wieder zierensollen dich de<strong>in</strong>e Pauken, <strong>und</strong> du wirst ausziehen mit der SpielendenReigen. Und im Psalm heißt es: Voran gehen die Fürsten, diesich den Sängern anschließen, <strong>in</strong> der Schar der Jungfrauen, diedas Tambur<strong>in</strong> schlagen. Desgleichen steht <strong>in</strong> dem Hymnus aufdie Jungfrauen: Der du wei<strong>des</strong>t unter Lilien umgeben von denReigen der Jungfrauen." Darauf fügte er folgen<strong>des</strong> Gleichnish<strong>in</strong>zu: „Weißt du nicht, daß die Seligkeit der Heiligen <strong>in</strong> jederBeziehung erstrebenswert ist wegen ihres Reichtums <strong>und</strong> ihrerLust? Wenn also die Heiligen im Himmel Reigen aufführenwollten <strong>und</strong> es gäbe im Himmel ke<strong>in</strong>e Reigen, dann wären dieHeiligen nicht vollkommen glücklich; <strong>und</strong> das wäre gegen unserenGlauben." Als das Mädchen dieses gehört hatte <strong>und</strong> dadurch

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