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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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213sonst lebte er <strong>in</strong> der Furcht <strong>und</strong> im Dienste Gottes. Da geschahes, daß ihn e<strong>in</strong>st der Teufel <strong>in</strong> der Gestalt e<strong>in</strong>er Jungfrau aufsuchte,die vorgab, bei ihm beichten zu wollen. Der Bischof ließder Jungfrau sagen, sie solle sich an se<strong>in</strong>e Untergebenen wenden.Sie aber wollte niemand anderem als dem Bischöfe alle<strong>in</strong> beichten.So wurde sie vorgelassen. Und sie erzählte dem Bischöfe, sie seidie Tochter e<strong>in</strong>es vornehmen Herrn <strong>und</strong> habe ewige Keuschheitgelobt. Und sie erzählte noch manches andere, <strong>und</strong> der Bischof ludsie schließlich zum Frühstück e<strong>in</strong>. Sie aber erwiderte: „Darankann ich nicht teilnehmen, denn wenn ich alle<strong>in</strong> mit euch speisenwollte, dann könnte man euch verdächtigen." Der Bischof aberentgegnete: „Es sollen noch viele andere mit uns speisen, damituns niemand zu verdächtigen wagt." Und so speisten sie geme<strong>in</strong>sam.Die Jungfrau setzte sich dem Bischöfe gegenüber, <strong>und</strong>niemand ahnte, daß es der Teufel war, der unter dieser Gestaltden Bischof zu verführen trachtete. Und es kam so weit, daß derBischof solches Gefallen an der Jungfrau fand, daß er be<strong>in</strong>ahe zusündhaften Gedanken verleitet wurde. Aber unser Beschützer JesusChristus ließ ihn nicht ganz <strong>in</strong> sündige Begierden fallen. Denn<strong>in</strong> diesem Augenblick klopfte e<strong>in</strong> Fremder an die Tür <strong>des</strong> bischöflichenPalastes, das war der heilige Andreas. Der bat, man möchte ihmE<strong>in</strong>laß gewähren. Der Pförtner aber eilte zum Bischöfe <strong>und</strong> fragteihn, ob er den Fremden here<strong>in</strong>lassen dürfte. Der Bischof verbietetes. Doch der Fremde klopft von neuem <strong>und</strong> bittet mit lauterStimme um E<strong>in</strong>laß, so daß der Pförtner wiederum den Bischoffragt, ob er ihm öffnen solle oder nicht. Da überlegen <strong>des</strong> BischofsGäste, was man tun solle, <strong>und</strong> schließlich fragen sie die Jungfrau,was sie wünsche. Und diese, das heißt, der Teufel, spricht: „DerFremde soll nicht e<strong>in</strong>gelassen werden, wenn er nicht sagen kann,welches das gewaltigste Zeichen ist, das Gott unter den ger<strong>in</strong>gstenZeichen schuf." Der Pförtner eilt h<strong>in</strong> <strong>und</strong> fragt den Fremden,was das sei. Der Fremde aber, der ja ke<strong>in</strong> anderer als der heiligeAndreas ist, antwortet ihm: „Dieses, daß Gott die Menschen alle<strong>in</strong> verschiedenen Gestalten schuf, so daß nicht eii) Mensch demanderen gleicht,sondern sich jeder von dem anderen unterscheidet."Der Pförtner teilt dem Bischöfe diese Antwort mit, <strong>und</strong> alle sprechen,er habe diese Frage trefflich beantwortet. Die Jungfrau aber läßtvon neuem fragen, wo die Erde erhabener sei als der Himmel.

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