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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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2911.Die drei Fragen.Man liest <strong>in</strong> der dreiteiligen Chronik, daß e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> König<strong>in</strong> Hibernia lebte', der se<strong>in</strong>e Tochter nur dem geben wollte, derihm drei ü<strong>in</strong>ge sagen könnte, über die er um jeden Preis Auskunfthaben wollte, nämlich: was das Schrecklichste, was dasNützlichste <strong>und</strong> was das Stärkste auf der Welt sei. Niemandaber fand sich, der ihm diese drei Fragen beantworten konnte.Da machte sich e<strong>in</strong> Ritter auf, um nach ihrer Lösung zu forschen.Und er durchwanderte viele Länder. Zuletzt kam er zu e<strong>in</strong>emFelde, auf dem e<strong>in</strong> großer Baum stand, <strong>und</strong> auf ihm saßen Vögelaller Art. Während aber der Ritter noch die Schönheit <strong>des</strong>Baumes bew<strong>und</strong>erte, siehe, da kam ganz plötzlich e<strong>in</strong> furchtbaresGewitter, <strong>und</strong> der Blitz schlug <strong>in</strong> den Baum <strong>und</strong> zersplitterte ihn<strong>in</strong> w<strong>in</strong>zige Teile, <strong>und</strong> die Vögel waren verscheucht. Als er aberweiterg<strong>in</strong>g, kam er zu e<strong>in</strong>em äußerst fruchtbaren Felde, auf demer Hirsche sah, die ganz abgemagert wai^en, <strong>und</strong> dann kam er zue<strong>in</strong>em öden, unfruchtbaren Felde, <strong>und</strong> darauf sah er wohlgenährteHirsche weiden. Und er g<strong>in</strong>g weiter <strong>und</strong> kam zu e<strong>in</strong>em Fluß;aus dem wollte er tr<strong>in</strong>ken. Er kostete davon <strong>und</strong> fand ihn süßwie Honigseim. Gestärkt <strong>und</strong> frohgestimmt durch den Wohlgeschmacksprach er zu sich: „Ich will gehen <strong>und</strong> nach dem Ursprüngedieses Flusses forschen." Da fand er, daß er aus demMaule e<strong>in</strong>es Hun<strong>des</strong> herausströmte. Wie er aber am Ufer <strong>des</strong>Flusses weiterwanderte, sah er, daß se<strong>in</strong> Wasser zu dem Ohree<strong>in</strong>es Wolfes h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> zu dem anderen Ohre wieder herausströmte. Voll Verw<strong>und</strong>erung über all das, was er erblickt hatte,sprach er zu sich selbst: „Ich will doch nachforschen, woh<strong>in</strong> dasWasser fließt." Da fand er, daß das ganze Wasser <strong>in</strong> den M<strong>und</strong>e<strong>in</strong>es Lammes floß, <strong>und</strong> daraus kam nicht e<strong>in</strong> Tropfen mehr hervor,sondern alles blieb dar<strong>in</strong>. Als er diese W<strong>und</strong>er gesehenhatte, kam er zu e<strong>in</strong>em heiligen E<strong>in</strong>siedler; den fragte er nachder Bedeutung alles <strong>des</strong>sen, was er erblickt hatte. Und der E<strong>in</strong>siedlererklärte es ihm: „Der große, schöne Baum, der Vögelaller Art birgt, ist der König. Solange ihn se<strong>in</strong>e Macht umstrahlt,hangen ihm viele Fre<strong>und</strong>e an. Aber wenn unversehens der Todkommt <strong>und</strong> ihn <strong>in</strong> all se<strong>in</strong>er irdischen Macht vernichtet, dann

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