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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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53zeiget euch den Priestern." Als die Messe zu Ende war, tratder Eitter an den Priester heran, um mit ihm nach se<strong>in</strong>er Gewohnheitzu scherzen, <strong>und</strong> sprach: „Wie heißt denn jener Aussätzige?"Der Priester wußte im ersten Augenblicke nicht, waser ihm antworten sollte, dann aber wurde plötzlich se<strong>in</strong> M<strong>und</strong>wie mit dem Honigseim der Beredsamkeit erfüllt <strong>und</strong> sprach:„Wilhelm heißt er." So aber hieß der Eitter selbst. Deswegenfragte er: „So b<strong>in</strong> ich aussätzig?" Und der Priester antwortete:„Gewiß; denn am Tage <strong>des</strong> Gerichtes wird de<strong>in</strong> Aussatz offenbarwerden, der noch viel schlimmer ist als der Aussatz <strong>des</strong> Leibes."Darauf fragt der Eitter: „Und was soll ich Unglücklicher tun,um diesem Aussatze zu entgehen?" Der Priester aber spricht:„Habt ihr vergessen, was der Herr zu den Aussätzigen sagt? Ersprach zu ihnen: »Geht <strong>und</strong> zeiget euch den Priestern.«" Und derEitter ruft: „Sieh, ich stehe vor dir, bereit, dem Worte <strong>des</strong> Herrnzu folgen <strong>und</strong> zu tun, was er mir durch de<strong>in</strong>en M<strong>und</strong> vorschreibt."Und alsbald beichtete er aufrichtig alle se<strong>in</strong>e Sünden. Als erse<strong>in</strong>e Buße erhalten hatte, fragte ihn der Priester: „Glaubst duan Christum, unsern Gott, den Sohn <strong>des</strong> lebendigen Gottes, <strong>und</strong>glaubst du, daß du durch ihn geheilt bist?" Und er antwortete:„Ich glaube." Der Priester fuhr fort: „Glaubst du, daß du befreitbist von de<strong>in</strong>em Aussatze?" Der Eitter antwortete wieder:„Ich glaube." Da spricht der Priester: „Geh h<strong>in</strong>, de<strong>in</strong> Glaubehat dich gerettet." So nutzte der Priester auch die letzten Worte<strong>des</strong> Evangeliums zum Heile <strong>des</strong> Eitters. Dieser aber bewahrtealles im Gedächtnisse <strong>und</strong> wurde e<strong>in</strong> guter Mensch <strong>und</strong> beharrte<strong>in</strong> der Tugend se<strong>in</strong> ganzes Leben.38.Von dem Raben, der e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>siedler speiste.Man liest im Leben der Väter, daß der heilige Paulus, derder erste E<strong>in</strong>siedler genannt wird, der Welt <strong>und</strong> ihren Lockungenmit göttlicher Hilfe den Eücken kehrte <strong>und</strong> <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>öde g<strong>in</strong>g,um Gott zu dienen. Und dabei vertraute er sich ganz Gott an<strong>und</strong> sprach: „Der du dem Zugvieh se<strong>in</strong>e Speise gibst <strong>und</strong> denjungen Eaben, die dich anrufen, du kannst auch mich erhalten<strong>in</strong> dieser E<strong>in</strong>öde." Und während er im festen Vertrauen auf Gottes

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