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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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197Vater schenkte ihm die ganze K<strong>in</strong>de. Dann kam der dritte Sohn,<strong>und</strong> er erhielt alle Wurzeln. Aber auch der vierte <strong>und</strong> letzteSohn kam; das war der jüngste, <strong>und</strong> ihm schenkte der Vateralle Früchte <strong>des</strong> Baumes. So hoffte jeder Sohn, ohne daß dieandern davon ahnten, daß ihm der Baum gehöre. Und der Vaterlebte noch, da brach schon unter ihnen der Zwist um den Baumaus, <strong>und</strong> sie stritten sich sogar vor ihrem Vater. Um diesen Streitse<strong>in</strong>er Söhne zu schlichten, rief der König alle Großen <strong>des</strong> Reicheszusammen <strong>und</strong> sprach zu ihnen: „Ich habe me<strong>in</strong>e Söhne erzogen<strong>und</strong> zu Großen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> gemacht; sie verleugnen mich gleichsam,<strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong> Zwist leben. So soll man vier Bogen <strong>und</strong> vierPfeile br<strong>in</strong>gen." Als man den Befehl ausgeführt hatte, ließ erjedem Sohne e<strong>in</strong>en Bogen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Pfeil reichen; dann ließ ersich trotz se<strong>in</strong>er Krankheit an der Wand aufrichten <strong>und</strong> sprach:„Wer von me<strong>in</strong>en Söhnen se<strong>in</strong>en Pfeil me<strong>in</strong>em Herzen am nächstenschießt, dem werde ich den ganzen Baum schenken." Dieser Vorschlaggefiel den drei ältesten Söhnen, aber dem vierten gefiel ernicht. Doch die Barone waren der Ansicht, daß die Mehrheit zuentscheiden habe. Und so schoß der älteste Sohn se<strong>in</strong>en Pfeil ab<strong>und</strong> traf zwei F<strong>in</strong>ger breit vom Herzen. Der zweite schoß nachihm <strong>und</strong> traf e<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>ger breit vom Herzen; der dritte abertraf <strong>in</strong>s Herz. Doch als man den vierten Sohn aufforderte zuschießen, da warf er unter bitteren Tränen den Bogen von sich<strong>und</strong> erklärte, es sei ihm unmöglich, als Sohn se<strong>in</strong>en Vater zutöten; denn es stehe im Gesetze geschrieben: „Ehre Vater <strong>und</strong>Mutter." Als der Vater dies hörte, sprach er mit den Worten<strong>des</strong> heiligen August<strong>in</strong>us : „Der Sohn ist aller Ehren würdig, derse<strong>in</strong>em Vater die Treue wahrt. Und im Buche der Sprücheheißt es: »Wer Vater <strong>und</strong> Mutter ehrt, der wird Freude <strong>und</strong>Wonne erleben <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern, <strong>und</strong> am Tage se<strong>in</strong>es Gebeteswird er Erhörung f<strong>in</strong>den.«" Nach diesen Worten sprach er se<strong>in</strong>emgetreuen jüngsten Sohneden Baum <strong>in</strong> Gegenwart aller Großen <strong>des</strong>Reiches zu.Dieser Vater ist das Bild <strong>des</strong> Königs der Könige <strong>und</strong> Herrnder Heerscharen, <strong>des</strong> himmlischen Vaters <strong>und</strong> Schöpfers allerD<strong>in</strong>ge. Als er vor se<strong>in</strong>em Leiden noch auf Erden wandelte, hatteer vier Söhne <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en überaus wertvollen Baum. Da er nunse<strong>in</strong>en Tod herannahen sah, rief er se<strong>in</strong>e Söhne, <strong>und</strong> dem e<strong>in</strong>en

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