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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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176wurde der Bauer krank, <strong>und</strong> diese Krankheit führte zum Tode.Als er aber im Sterben lag, brach e<strong>in</strong> gewaltiges Unwetter losmit Donner <strong>und</strong> Kegengüssen, <strong>und</strong> das dauerte drei Tage. Daherkonnte man den Toten nicht begraben. Da schüttelten se<strong>in</strong>e Nachbarnden Kopf <strong>und</strong> sprachen: „Dieser Mann muß e<strong>in</strong> großerSünder gewesen se<strong>in</strong>, daß ihm das Unwetter das Begräbnis stört,<strong>und</strong> daß er so vor Verwesung riecht, daß niemand <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Haustreten kann." Am dritten Tage, als der Eegen noch immer anhält,tragen sie ihn unwillig aus dem Hause <strong>und</strong> verscharren ihnelendiglich <strong>in</strong> der Erde.Se<strong>in</strong> Weib dagegen war äußerst anmutig von Gestalt <strong>und</strong>gewandt <strong>und</strong> lebhaft <strong>in</strong> der Kede, so daß sie gern gesehen warbei ihren Nachbaren. Die verschmähte es, nach ihres MannesTode weiterzuarbeiten, so daß sie nach wenigen Jahren <strong>in</strong> solcheNot geriet, daß sie ihre K<strong>in</strong>der betteln schickte. Als sie so <strong>in</strong>dieser Not lebte, wurde sie so gebrechlich <strong>in</strong>folge ihrer Ausschweifungen,daß auch nicht e<strong>in</strong> Glied an ihrem Leibe ges<strong>und</strong>blieb. Und da Gott ihre Sittenlosigkeit lange genug geduldethatte, ließ er sie e<strong>in</strong>es plötzlichen To<strong>des</strong> sterben. Bei ihrem Todeaber liegt über der Gegend e<strong>in</strong> so heiteres Wetter, daß selbst dieLuft ihr zu dienen sche<strong>in</strong>t.So waren nun beide tot, <strong>und</strong> es blieb e<strong>in</strong>e Tochter zurück,die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Orden e<strong>in</strong>trat. Diese dachte lange <strong>in</strong> ihrem Geistenach, ob sie wie ihr Vater oder wie die Mutter leben sollte. Undda sie sich überlegte, daß es dem Vater so schlecht, der Mutteraber so gut ergangen war, beschloß sie, ihre Mutter zum Vorbildzu nehmen. Mit solchen Gedanken schlief sie e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong>. Undsiehe, es trat e<strong>in</strong> Engel zu ihr <strong>und</strong> fragte sie, worüber sie nachdenke.Und sie erwacht vor Schrecken <strong>und</strong> sagt, was sie gedachthat. Da nimmt sie der Engel bei der Hand <strong>und</strong> spricht: „Kommeiligst. Wie du gewünscht hast, sollst du Vater <strong>und</strong> Mutter sehen,<strong>und</strong> dann sollst du den Lebenswandel wählen, der dir richtig ersche<strong>in</strong>enwird." Und er führte sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e blumenbesäte Au, <strong>in</strong>der viele Tausende voll Freude wandelten, <strong>und</strong> unter ihnen siehtsie auch ihren Vater <strong>in</strong> Herrlichkeit erstrahlend <strong>und</strong> geschmücktmit e<strong>in</strong>em Kranze. Der Vater aber eilt herbei <strong>und</strong> begrüßt siefreudig. Da bittet ihn die Tochter <strong>in</strong> ihrem Glück, er möge siebei sich behalten. Doch der Wunsch wird abgeschlagen. Aber der

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