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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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162h<strong>in</strong>derte <strong>und</strong> sprach: „Seit fünfzig Jahren verwalte ich dieseKirche, <strong>und</strong> nie habe ich dich gesehen." Der andere entgegnete :„Heute morgen g<strong>in</strong>g ich zur Nachbarkirche, um dort die Messezu lesen, <strong>und</strong> nun kehre ich zurück." Da glaubten die Leute,daß er von S<strong>in</strong>nen wäre. Endlich aber er<strong>in</strong>nerten sich e<strong>in</strong>igealte Bauern, daß sie e<strong>in</strong>e derartige Geschichte von ihren Elterngehört hatten, <strong>und</strong> sie rechneten aus, daß er h<strong>und</strong>ert Jahre fortgewesense<strong>in</strong> müsse. Da erkannte der Priester, daß es wirklichdie selige Jungfrau gewesen war, vor der er die Messe gelesenhatte. Und er g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kloster der grauen Mönche, wies dortdie Goldstücke vor <strong>und</strong> erzählte, was er erlebte hatte. Danntrat er <strong>in</strong> den Orden e<strong>in</strong> <strong>und</strong> diente der seligen Jungfiau treubis an se<strong>in</strong> Ende <strong>und</strong> erwarb sich so das ewige Leben.168.Der Averitter.E<strong>in</strong>st entsagte e<strong>in</strong> vornehmer <strong>und</strong> sehr begüterter Ritter derWelt <strong>und</strong> trat <strong>in</strong> den Zisterzienserorden e<strong>in</strong>. Da er nicht lesenkonnte <strong>und</strong> die Brüder sich scheuten, e<strong>in</strong>en so vornehmen Mannunter die Laienbrüder aufzunehmen, gaben sie ihm e<strong>in</strong>en Lehrer,damit er wenigstens das Nötigste lernte <strong>und</strong> unter die Chorbrüderaufgenommen werden könnte. Lange blieb er bei se<strong>in</strong>em Lehrer,<strong>und</strong> doch konnte er nichts als die beiden Worte: Ave Marialernen. Diese Worte aber nahm er sich so zu Herzen, daß er,wo er auch g<strong>in</strong>g <strong>und</strong> was er tat, sie immer vor sich hersagte.Und als er starb, wurde er am Kirchhofe neben den anderenBrüdern begraben. Und siehe, aus jenem Grabe wuchs e<strong>in</strong>e herrlicheLilie hervor, <strong>und</strong> auf jedem Blatt war <strong>in</strong> goldenen Buchstaben:Ave Maria zu lesen. Da eilten alle herbei, um e<strong>in</strong> sogroßes W<strong>und</strong>er zu sehen. Man grub das Grab auf <strong>und</strong> fand,daß die Lilie im M<strong>und</strong>e <strong>des</strong> Verstorbenen wurzelte. So erkanntenalle, mit welch <strong>in</strong>niger Frömmigkeit er jene beiden Worte ausgesprochenhatte, da ihn der Herr durch e<strong>in</strong> so großes W<strong>und</strong>erauszeichnete. Und nun ist er im Himmel.

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