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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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159herzigkeit widerfahren lassen. Dies aber ist die Buße, die mirauferlegt ist für me<strong>in</strong>e weltliche Ges<strong>in</strong>nung: Ich weile hier <strong>in</strong>dem verlassenen Schlosse <strong>und</strong> habe vor mir für me<strong>in</strong>e Schlemmere<strong>in</strong>ur e<strong>in</strong>en armseligen, schmutzigen Tisch. Doch dir soll ke<strong>in</strong>Schaden geschehen. Kehre jetzt wieder heim <strong>und</strong> büße de<strong>in</strong>eSünden durch Werke der Frömmigkeit." In diesem Augenblickeergriff ihn der W<strong>in</strong>d wieder <strong>und</strong> trug ihn an denOrt zurück, von dem er ihn entführt hatte. Dort standen se<strong>in</strong>eAngehörigen noch <strong>und</strong> trauerten um ihn. Wie sie ihn nun zurückkommensahen, ergriften sie die Flucht, denn er war w<strong>und</strong>erbarverändert. An Händen <strong>und</strong> Füßen waren ihm die Nägel wieAdlerkrallen gewachsen, <strong>und</strong> die Angst, die er ausgestandenhatte, hatte se<strong>in</strong> Gesicht so schwarz <strong>und</strong> abstoßend gemacht, daßihn die Se<strong>in</strong>en nicht mehr erkannten. Und obgleich er nur e<strong>in</strong>ekurze St<strong>und</strong>e fortgewesen war, kam ihm die Zeit wie tausendJahre vor. Er ruft die Verwandten zurück <strong>und</strong> erzählt ihnen,was er erlebt hat. Als sie das hören, loben sie alle Gott. Erselbst aber wurde e<strong>in</strong> tugendhafter Mensch <strong>und</strong> erlangte dieGnade, se<strong>in</strong> Leben fromm zu beenden.Von e<strong>in</strong>em165.Kreuzwege.E<strong>in</strong>st kamen zwei Wanderer auf ihrer Fahrt zu e<strong>in</strong>em Kreuzwege,<strong>und</strong> sie fragten e<strong>in</strong>en Weisen, welchen Weg sie wählensollten. Der antwortete: „Geht ihr zur L<strong>in</strong>ken, so kommt ihr<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Stadt, <strong>in</strong>* der die Sitte herrscht, daß man die Fremdenfreudig aufnimmt <strong>und</strong> ihnen drei Tage lang alles im Überflußgewährt. Dann aber treibt man sie elendiglich h<strong>in</strong>aus, nimmtihnen alles weg <strong>und</strong> hängt sie an den Galgen. Zur Eechten dagegenf<strong>in</strong>det ihr e<strong>in</strong>en schwer gangbaren Weg, dann aber kommtihr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e w<strong>und</strong>erschöne Stadt, wo man euch gastlich aufnimmt,bekränzt<strong>und</strong> beschenkt."Das deuten wir <strong>in</strong> geistlichem S<strong>in</strong>ne so: Die Wanderschaftist unser Erdenleben. Die erste Stadt <strong>und</strong> deren Geschenke bedeutendie Welt. Nach drei Tagen, das heißt nach unserra kurzenErdenlaufe mit se<strong>in</strong>en Reichtümern <strong>und</strong> Ehren, die alle<strong>in</strong> für die

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