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Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und ...

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155160.Von e<strong>in</strong>em Mönche, der sich an se<strong>in</strong>em Kruge ärgerte.E<strong>in</strong> Mönch ließ sich im Kloster häufig zum Zorne li<strong>in</strong>reißen.Da sprach er zu sich selbst: „Ich will <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>samkeit ziehen;dort hab ich niemanden, mit dem ich Streit beg<strong>in</strong>nen kann, <strong>und</strong>so wird diese Leidenschaft schw<strong>in</strong>den." Als er aber alle<strong>in</strong> war<strong>und</strong> e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Krug vollgefüllt hatte, lief das Wasser aus demKruge aus, <strong>und</strong> das geschah auch e<strong>in</strong> zweites <strong>und</strong> e<strong>in</strong> drittes Mal.Da packte er den Krug voll Zorn <strong>und</strong> zerschlug ihn. Doch als ersich wieder beruhigt hatte, merkte er, daß ihn e<strong>in</strong> böser Geistbetrogen hatte, <strong>und</strong> sprach: „Da b<strong>in</strong> ich nun alle<strong>in</strong>, <strong>und</strong> dochließ ich mich zum Zorne reizen <strong>und</strong> h<strong>in</strong>reißen. So will ich zumKloster zurückkehren, denn kämpfen müssen wir überall, <strong>und</strong>Geduld ist uns überall so notwendig wie die Hilfe Gottes." Damitmachte er sich auf <strong>und</strong> kehrte wieder heim.161.Der lustige Spielmann <strong>und</strong> der Reiche.Bei Montpellier lebte e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong> ganz armer Mann, der hießKub<strong>in</strong>. Er wohnte unter der Haustreppe e<strong>in</strong>es Geizhalses, derste<strong>in</strong>reich war. Der Arme hatte e<strong>in</strong>e Fiedel, die er nach derTagesarbeit auf der Straße spielte. Das brachte ihm manchmalvier oder gar fünf Groschen Spiellohn e<strong>in</strong>, <strong>und</strong> dieser Verdienstmachte ihm große Freude. Se<strong>in</strong> Herr dagegen hatte nie e<strong>in</strong>enfrohen Tag. Der dachte Tag <strong>und</strong> Nacht bekümmert über se<strong>in</strong>eGeldgeschäfte nach. Da sagte e<strong>in</strong>st se<strong>in</strong> Weib zu ihm: „Du,dieser Kub<strong>in</strong> besitzt nichts, <strong>und</strong> doch ist er immer lustig; <strong>und</strong>du hast alles im Überfluß <strong>und</strong> bist doch immer voll Sorgen."Und ihr Mann erwiderte: „Weib, dem will ich se<strong>in</strong>en Frohs<strong>in</strong>nschon vertreiben." Die Frau aber wandte e<strong>in</strong>: „Das wird dirnicht gel<strong>in</strong>gen, wenn du ihm nicht etwa e<strong>in</strong> Leid antust." Erjedoch versicherte ihr: „Ich werde ihm nichts Böses zufügen."Und der Hausherr warf heimlich e<strong>in</strong>en Säckel voll Groschen durchsFenster <strong>in</strong> die Kammer <strong>des</strong> Kub<strong>in</strong>. Am Morgen fand der Armedas Geld, <strong>und</strong> nun dachte er den ganzen Tag darüber nach, waser wohl damit beg<strong>in</strong>nen sollte. Und dah<strong>in</strong> waren Gesang <strong>und</strong>

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