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Migration und Integration - RatSWD

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Soziale Strukturbildung durch <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Integration</strong><br />

ende in ihre Heimat zurückzukehren. Eine Zuwanderung ganzer Familien gab es in<br />

diesem strengen Rotationssystem nicht. Die ausländischen Arbeitskräfte in der DDR<br />

kamen als einzelne Arbeitswanderer, wobei in den zwischenstaatlichen Vereinbarungen<br />

vor allem von jungen, ledigen Arbeitskräften die Rede war.<br />

Die Arbeits- <strong>und</strong> Lebensbedingungen der ausländischen Arbeitskräfte <strong>und</strong> Auszubildenden<br />

waren für die Dauer ihres Aufenthalts in den meisten Bereichen durch bilaterale<br />

Regierungsvereinbarungen <strong>und</strong> besondere „Rahmenrichtlinien” geregelt. Es<br />

gab praktisch keinen Lebensbereich, in dem diese Bedingungen nicht in irgendeiner<br />

Form reguliert bzw. kontrolliert worden wären. Das Ausländergesetz der DDR<br />

vom 28. Juni 1979 <strong>und</strong> die dazugehörige Ausländerverordnung regelten die gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Fragen des Aufenthaltes <strong>und</strong> des Rechtsstatus der ausländischen Bevölkerung<br />

während ihres Verbleibs in der DDR. Die dort formulierten rechtlichen Rahmenbedingungen<br />

blieben aber sehr grob: Einerseits wurde den in der DDR lebenden<br />

ausländischen Arbeitskräften die gleichen Rechte wie DDR-Bürgern<br />

eingeräumt (ausgenommen die an die Staatsbürgerschaft geb<strong>und</strong>enen), sofern keine<br />

gesonderten Abkommen zu ausländerrechtlichen Fragen mit dem Herkunftsland<br />

bestanden. Andererseits wurde festgelegt, dass die Genehmigung zum Aufenthalt<br />

in der DDR jederzeit ohne Begründung zeitlich <strong>und</strong> örtlich eingeschränkt, versagt,<br />

entzogen oder für ungültig erklärt werden konnte. Arbeitskräfte wurden<br />

rekrutiert <strong>und</strong> zugelassen auf der Gr<strong>und</strong>lage eines politischen Willkürvorbehalts,<br />

der (orientiert an der Rentabilität dieser Arbeitskräfte) bis in die privaten Lebensverhältnisse<br />

durchgriff <strong>und</strong> den Arbeitsmigranten den Familiennachzug oder die Familiengründung<br />

untersagte. Eine Schwangerschaft stellte die angeworbenen Arbeiterinnen<br />

lange Zeit vor die Alternative Abtreibung oder Rückkehr.<br />

Darüber hinaus gab es Maßnahmen zur Immobilisierung <strong>und</strong> Disziplinierung der<br />

ausländischen Arbeitskräfte: Sie blieben z.B. in der Regel für die Dauer ihres Aufenthalts<br />

an einen Betrieb geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ihr Kündigungsrecht war stark eingeschränkt.<br />

Der „Stärkung der Arbeitsdisziplin” diente die Drohung mit der Reduktion bzw. Einstellung<br />

der Zahlung einer Entschädigung für die Trennung von der Familie. Für polnische<br />

Arbeitskräfte z.B. wurde dieses „Trennungsgeld” seit 1973 gezahlt <strong>und</strong> für<br />

jeden Aufenthaltstag berechnet. Bei einmaligem unentschuldigten Fehlen am<br />

Arbeitsplatz wurde diese Zulage um 50 Prozent gekürzt, bei zweimaligem unentschuldigten<br />

Fernbleiben ganz gestrichen. In den bilateralen Verträgen gab es ferner<br />

gruppenspezifische Vereinbarungen darüber, ob <strong>und</strong> wie viel Geld anteilig vom<br />

Bruttoverdienst direkt an die Regierungen der Herkunftsländer zu überweisen war,<br />

welcher Anteil des Verdienstes den Beschäftigten sofort <strong>und</strong> welcher ihnen erst<br />

nach ihrer Rückkehr ausgezahlt werden sollte.<br />

Öffentliche Diskussionen über in der DDR lebende <strong>und</strong> arbeitende Ausländer <strong>und</strong><br />

deren Probleme wurden von staatlicher Seite konsequent unterdrückt, alle offiziellen<br />

Dokumente, Verträge etc. wurden bis zur Wende im Herbst 1989 unter Verschluss<br />

gehalten. Aus diesen Gründen gab es bis dahin, von Ausnahmen (z.B. Kirchen) abgesehen,<br />

keine Lobby für die in der DDR lebenden Ausländer. Die ausländischen Beschäftigten<br />

<strong>und</strong> Ausbildungswanderer hatten, außer über Gewerkschaftsaktivitäten im<br />

betrieblichen Rahmen, weder ein Mitspracherecht noch Mitentscheidungsmöglichkeiten<br />

in ausländerpolitischen Fragen. Eigene Interessenvertretungen für ausländische<br />

Arbeitskräfte existierten nicht. Insgesamt gab es in der DDR eine zwar administra-<br />

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