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Migration und Integration - RatSWD

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Steuerung der Zuwanderung<br />

Anzahl der Flüchtlingsanerkennungen. Die Verdoppelung der Gesamtquote von<br />

2000 (10,9 Prozent) auf 2001 (21,2 Prozent) <strong>und</strong> das Zurückfallen auf ein Viertel dieses<br />

Wertes 2002 (5 Prozent) <strong>und</strong> auf ein Sechstel im Jahr 2003 (3,3 Prozent) ist auf besondere<br />

Einflüsse zurückzuführen. So sind die herausragenden Werte des Jahres 2001<br />

dadurch zu erklären, dass die Schutzquote von Afghanen bei 81 Prozent lag, weil sich<br />

die Rechtsprechung zu ihren Gunsten änderte <strong>und</strong> diese Änderungen unmittelbar<br />

bei den Entscheidungen des B<strong>und</strong>esamtes berücksichtigt wurden. Auch Flüchtlinge<br />

aus Irak, hauptsächlich kurdischer Volkszugehörigkeit, erhielten 2001 in der Mehrzahl<br />

Schutz (62 Prozent). Da sich die Verfolgungssituation in Afghanistan in der Folgezeit<br />

änderte, wirkt sich der Zusammenbruch der dortigen Gewaltherrschaft in<br />

den niedrigeren Quoten der Folgejahre aus. Für irakische Kurden wurde aufgr<strong>und</strong><br />

neuer Erkenntnisse eine inländische Fluchtalternative im Nordirak festgestellt.<br />

Auch dies hatte Einfluss auf die Anerkennungspraxis der Folgejahre.<br />

Der insgesamt niedrige Wert der Asylanerkennung nach Art. 16a GG <strong>und</strong> die hierdurch<br />

in der Öffentlichkeit immer wieder zu hörende Meinung, es handele sich bei<br />

den restlichen 98,4 Prozent der Antragsteller ausschließlich um nicht schutzwürdige<br />

Personen oder gar um Wirtschaftsflüchtlinge, ist falsch. Die Statistiken bedürfen<br />

daher einer eingehenderen Betrachtung.<br />

Aussagekräftiger wird die Statistik, wenn neben der Asylanerkennung (Art. 16a GG)<br />

auch die Gewährung des Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention (§ 51 Abs. 1<br />

AuslG) <strong>und</strong> die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG einbezogen<br />

wird. Auch wird die hohe Zahl der Verfahrenseinstellungen aus formalen<br />

Gründen (durchschnittlich mehr als 25 Prozent aller Entscheidungen) in die statistische<br />

Bewertung einbezogen, wodurch die Quote gesenkt wird, während die durch<br />

die Verwaltungsgerichte ausgesprochenen Anerkennungen nicht in diese Statistik<br />

einfließen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich viele Flüchtlinge trotz der<br />

Ablehnung ihres Asylantrags weiter in Deutschland aufhalten, da ihre Abschiebung<br />

aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Auch sie müssen<br />

angesichts der oft äußerst problematischen Menschenrechtssituation in ihrem Herkunftsland<br />

zu den schutzbedürftigen Flüchtlingen gezählt werden.<br />

Die Gründe für die in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren eher restriktive<br />

Asylentscheidungspraxis sind vielfältig. So wurde wegen der Anknüpfung an die<br />

„Staatlichkeit“ der Verfolgung statt des Flüchtlingsstatus lediglich ein vorübergehender<br />

Abschiebeschutz nach § 53 Abs. 1 AuslG gewährt. Beispielsweise wurden<br />

afghanische Staatsangehörige, die Opfer der Taliban geworden waren, erst nach<br />

einer Intervention des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts als Asylberechtigte oder als Konventionsflüchtlinge<br />

anerkannt. Schwierig war <strong>und</strong> ist die Anerkennung auch für<br />

Roma aus dem Kosovo, obwohl ihre Schutzbedürftigkeit sogar vom UN-Sicherheitsrat<br />

bestätigt wurde. In beiden Fällen drohte nach der bisherigen Rechtsprechung<br />

„lediglich“ Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, die in Deutschland im<br />

Widerspruch zur internationalen Praxis für die Asylgewährung gr<strong>und</strong>sätzlich irrelevant<br />

war. Ebenso erging es bosnischen Vertreibungsopfern, die keinen Flüchtlingsstatus<br />

in Deutschland erhielten, obwohl sie oftmals geradezu klassische<br />

Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention waren. Ein weiteres Beispiel<br />

sind Frauen, die wegen ihres unislamischen Auftretens von Mitgliedern bewaffneter<br />

Gruppen in Algerien schwer misshandelt wurden <strong>und</strong> in Deutschland dennoch<br />

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