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Migration und Integration - RatSWD

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Steuerung der Zuwanderung<br />

Ausland. Später wurde die Anwerbung vor allem deshalb fortgesetzt, weil der zuvor<br />

beständige Zuzug von Arbeitskräften aus der DDR mit dem Bau der Berliner Mauer im<br />

August 1961 abrupt beendet worden war.<br />

Mit dem Ausländergesetz von 1965 schuf sich die B<strong>und</strong>esrepublik ein sehr flexibles<br />

Steuerungsinstrument mit weiten Verordnungsermächtigungen <strong>und</strong> Ermessensspielräumen<br />

für die Behörden. Im Vordergr<strong>und</strong> stand das öffentliche Interesse an der<br />

Regulierung des Zuzugs von Ausländern. Die hohe Anpassungsfähigkeit dieses –<br />

unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht unbedenklichen – Regelungssystems<br />

erwies sich erstmals während der ersten Ölkrise. Mit dem (als vorläufig erachteten)<br />

Anwerbestopp reagierte die B<strong>und</strong>esrepublik im November 1973 wie andere westeuropäische<br />

Staaten auf die mit dem „Ölpreisschock“ scheinbar akute Gefährdung des<br />

wirtschaftlichen Wachstums. Zwei Gründe waren dafür verantwortlich, dass der<br />

Anwerbestopp auch in späteren Jahren nicht aufgehoben wurde. Zum einen nahm<br />

der Zuzug von Familienangehörigen sprunghaft zu, da viele ausländische Arbeitnehmer<br />

dauerhaft in Deutschland blieben <strong>und</strong> anders als zuvor ihre Familie nachholten<br />

oder in Deutschland eine Familie gründeten. Zum anderen wurde der Anwerbestopp<br />

von Anbeginn an mit Hilfe eines mehrfach geänderten Ausnahmenkatalogs für<br />

bestimmte Personengruppen <strong>und</strong> Berufstätigkeiten den jeweiligen staatlichen Vorgaben<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlichen Bedürfnissen angepasst.<br />

Diese Regelungsinstrumente reichten auf Dauer erkennbar nicht aus, um eine Zunahme<br />

der ausländischen Wohnbevölkerung <strong>und</strong> immer längere Aufenthaltszeiten zu<br />

verhindern. Einerseits wurde 1977 deshalb eine Stufenregelung eingeführt, die ausländischen<br />

Arbeitnehmern <strong>und</strong> ihren Familien einen Daueraufenthalt ermöglichen<br />

sollte, <strong>und</strong> andererseits wurde 1981 der anhaltende Zuzug von Familienangehörigen<br />

durch eine „sozialverantwortliche Steuerung“ auf Verwaltungsebene begrenzt,<br />

wobei die angeordneten Warte- <strong>und</strong> Ehebestandszeiten teilweise gegen den verfassungsrechtlichen<br />

Familienschutz verstießen. Auch die 1983 beschlossenen Maßnahmen<br />

zur Förderung der Rückkehrbereitschaft erwiesen sich als erfolglos. Die sich<br />

daran entzündenden öffentlichen Debatten verursachten zunächst einen beträchtlichen<br />

Rückwanderungsstau, <strong>und</strong> anschließend wurde zwar die finanzielle Förderung<br />

in Anspruch genommen („Mitnahmeeffekte“), doch vergrößerte sich der Gesamtumfang<br />

der Rückwanderung damit nicht (Bade 1994a).<br />

Bis Ende der 1970er Jahre fanden Asylbewerber im Unterschied zu den „Gastarbeitern“<br />

keine besondere öffentliche Aufmerksamkeit, zumal die großzügige Aufnahme von<br />

Flüchtlingen aus den Ostblockstaaten politisch unumstritten war. Die Statistik weist<br />

entsprechend hohe Anerkennungsquoten in den Asylverfahren aus <strong>und</strong> abgelehnte<br />

osteuropäische Asylbewerber wurden nicht zur Rückkehr in ihr Herkunftsland<br />

gezwungen, sondern oft über Jahre hinweg geduldet <strong>und</strong> letztlich mit einer Aufenthaltserlaubnis<br />

ausgestattet. Nach der sprunghaften Zunahme der schutzsuchenden<br />

Flüchtlinge (1975: 9.600, 1978: 33.000, 1980: 108.000), deren Höhepunkt vor allem<br />

durch den Militärputsch in der Türkei verursacht wurde, reagierte der Gesetzgeber in<br />

mehreren Schritten. Die Verfahren wurden insgesamt gestrafft <strong>und</strong> verkürzt, die<br />

zunächst in Bayern konzentrierten Gerichtsverfahren auf alle anderen B<strong>und</strong>esländer<br />

ausgedehnt <strong>und</strong> zusätzlich „flankierende Maßnahmen“ ergriffen: Visumzwang für<br />

die Hauptherkunftsländer, Arbeitsverbot, Unterbringung in Sammelunterkünften<br />

<strong>und</strong> Auszahlung von Sozialhilfe in der Regel in Form von Sachleistungen.<br />

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