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Migration und Integration - RatSWD

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Soziale Strukturbildung durch <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Integration</strong><br />

3. Soziale Strukturbildung durch<br />

<strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Integration</strong><br />

Ein zentraler Gesichtspunkt des vorliegenden Jahresgutachtens ist, dass die Aufnahme-<br />

<strong>und</strong> <strong>Integration</strong>skapazitäten eines Landes nicht starr vorgegebene Größen sind,<br />

sondern durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden, unter anderem auch<br />

durch die Erfahrungen mit voran gegangenen Wanderungsbewegungen <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>sprozessen.<br />

Die mit diesem Jahresgutachten erstrebte Sozialberichterstattung,<br />

die Bestandsaufnahmen <strong>und</strong> Trendentwicklungen einschließt, setzt voraus,<br />

dass auch die historischen Entwicklungen, die den Rahmen für die aktuellen <strong>und</strong><br />

absehbaren Entwicklungstendenzen bilden, berücksichtigt werden. Für Aussagen<br />

zu den Aufnahme- <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>skapazitäten Deutschlands ist es daher notwendig,<br />

die soziale Strukturbildung zu analysieren, die in den zurückliegenden Jahrzehnten<br />

mit der Zuwanderung nach Deutschland verb<strong>und</strong>en war (Gutachten Bommes,<br />

Seifert 1995, Münz et al. 1997). Die Frage nach diesen gesellschaftlichen Veränderungen<br />

wird in der aktuellen Debatte bislang nicht hinreichend gestellt, wodurch<br />

möglicherweise auch die <strong>Integration</strong>skraft unserer Gesellschaft nicht realistisch<br />

eingeschätzt wird.<br />

In der Geschichte haben Deutsche im Ausland <strong>und</strong> Ausländer in Deutschland buchstäblich<br />

alle denkbaren Erscheinungsformen grenzüberschreitenden Wanderungsgeschehens<br />

erlebt: Aus-, Ein- <strong>und</strong> Transitwanderungen, Arbeitswanderungen von<br />

Deutschen ins Ausland <strong>und</strong> von Ausländern nach Deutschland, Flucht- <strong>und</strong> Zwangswanderungen<br />

von Deutschen ins Ausland <strong>und</strong> von Ausländern nach Deutschland,<br />

von Deutschen als Opfern <strong>und</strong> von Deutschen als Tätern, innerhalb <strong>und</strong> außerhalb<br />

der deutschen Grenzen. Außerdem kennt die Geschichte der Deutschen nicht nur<br />

die Wanderung von Menschen über Grenzen, sondern auch die Bewegung von<br />

Grenzen über Menschen hinweg (wie zuletzt durch die deutsche Vereinigung) ebenso<br />

wie die Ausgrenzung von „Fremden” innerhalb der deutschen Grenzen – von<br />

Juden, Sinti, Roma <strong>und</strong> anderen (Bade 1992, Bade 1996: 231-233).<br />

Begriffe wie „Bevölkerung mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>” oder „Familie mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>”<br />

sind heute allenthalben geläufig, ihre definitorischen Grenzen<br />

aber sind fließend. Dies gilt schon für die Frage, ob bei „<strong>Migration</strong>” – d.h. grenzüberschreitender<br />

Zuwanderung aus heute jenseits der Grenzen der B<strong>und</strong>esrepublik liegenden<br />

Räumen – nur Zuwanderer ausländischer Herkunft <strong>und</strong> Staatsangehörigkeit<br />

einbezogen werden sollen, oder ob damit auch die deutschen Flüchtlinge <strong>und</strong><br />

Vertriebenen der Nachkriegszeit erfasst werden sollen sowie die ihnen seit dem<br />

Ende der organisierten Vertreibungen folgenden Aussiedler (bzw. seit 1993 Spätaussiedler)<br />

mit deutscher Herkunft, zuletzt aber ausländischer Staatsangehörigkeit.<br />

Diese Frage aber stellt sich, weil bei „<strong>Integration</strong>” in der <strong>Migration</strong>s- <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>sforschung<br />

in der Regel von einem intergenerativen, bis zu drei Generationen<br />

übergreifenden Sozial- <strong>und</strong> Kulturprozess ausgegangen wird. Dabei wird also nicht<br />

nur an die Generation mit eigener <strong>Migration</strong>serfahrung, sondern auch an deren<br />

Kinder (Zweite Generation) <strong>und</strong> Enkelkinder (Dritte Generation) gedacht.<br />

Dies wiederum führt zu der Frage, ob bei dem Begriff „Familie mit <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong>”<br />

in dieser Drei-Generationen-Perspektive auch Familien einbezogen werden,<br />

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