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Migration und Integration - RatSWD

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Zur Notwendigkeit aussagekräftiger Indikatoren <strong>und</strong> Datengr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>und</strong> <strong>Integration</strong>skapazitäten im Hinblick auf Zuwanderung nach Deutschland<br />

gehört deswegen zu den Kernaufgaben des Zuwanderungsrates. Indikatorengestützte<br />

Entscheidungen scheitern freilich – nicht nur in Deutschland – bislang<br />

bereits daran, dass viele politische Ziele nicht klar <strong>und</strong> eindeutig definiert sind. Klare<br />

Zieldefinitionen aber sind die Voraussetzung für die Bewertung „zielführender“<br />

Maßnahmen bzw. von Zielabweichungen. Selbst wenn eine klare Zieldefinition<br />

gef<strong>und</strong>en werden könnte, wäre zu beachten, dass viele Entscheidungen, so auch<br />

solche über Zuwanderung <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>, eine Vielzahl von Zielen berücksichtigen<br />

müssen, wobei es typischerweise zwischen Teilzielen zu Konkurrenz kommt.<br />

Deswegen kann so gut wie keine Entscheidung nur anhand eines einzigen Zielwertes<br />

getroffen <strong>und</strong> gegebenenfalls anhand einer einzigen Kennziffer gemessen werden.<br />

Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaftler plädieren deswegen seit Jahrzehnten<br />

für die Definition <strong>und</strong> Messung gesellschaftlicher <strong>und</strong> politischer Ziele anhand von<br />

„mehrdimensionalen“ Indikatorentableaus. Bei Anwendungen dieses Konzepts im<br />

betrieblichen Controlling wird inzwischen mit einer Vielzahl von Kennziffern gearbeitet.<br />

Der Wert dieser Methodik ist freilich auch umstritten.<br />

Die in vielen Einwanderungsländern praktizierten „Punktesysteme“ zur Zuwanderungssteuerung<br />

beruhen ohne Zweifel auf Indikatoren, die den <strong>Integration</strong>serfolg<br />

künftiger Zuwanderer abzuschätzen versuchen (Alter, Qualifikation, Sprachfähigkeit<br />

etc.) (vgl. Kap. 5). Aber man darf die Augen nicht davor verschließen, dass diese<br />

Indikatoren keineswegs so gut wissenschaftlich abgesichert sind, dass sie quantifizierbare<br />

Prognosen über die <strong>Integration</strong> von Zuwanderern erlauben würden; nicht<br />

zuletzt deswegen, weil es gewaltige Unterschiede zwischen Wanderungsabsicht<br />

<strong>und</strong> Wanderungsergebnis geben kann: Zuwanderung auf Zeit kann in definitive<br />

Einwanderung münden; umgekehrt können zunächst auf Dauer geplante Aufenthalte<br />

auf Gr<strong>und</strong> von zuvor nicht absehbaren Faktoren zum Abbruch von <strong>Integration</strong>sprozessen<br />

führen, ggf. auch zur Weiter- oder Rückwanderung.<br />

In allen Ländern, die Punktesysteme eingeführt haben, entscheidet die Politik über<br />

die Vergabe von Punkten anhand der ermittelten Merkmale von Antragsstellern.<br />

Der Vorzug eines Punktesystems liegt dabei weniger in der wissenschaftlichen<br />

Begründbarkeit der Punktwerte, sondern in der normativen Transparenz des Systems<br />

für potenzielle Zuwanderer. Diese wissen, woran sie sind bzw. ob <strong>und</strong> wie sie<br />

ihre Chancen auf Zulassung noch verbessern können. Die genaue Begründung der<br />

einzelnen Punkte selbst ist für sie ohne Belang, da sie diese ohnehin nicht beeinflussen<br />

können.<br />

Ein gr<strong>und</strong>sätzliches Problem einer indikatorengestützten <strong>Integration</strong>spolitik liegt<br />

darin, dass es weltweit noch zu wenige belastbare Untersuchungen dazu gibt, wie<br />

<strong>Integration</strong>sprozesse konkret <strong>und</strong> nachvollziehbar ablaufen, <strong>und</strong> dass daher für<br />

politische Entscheidungen auch keine effektiven Indikatoren zur Verfügung stehen.<br />

Über das oben diskutierte Beispiel der Einschätzung von „Heimaturlaub“<br />

hinaus sei als ein offenk<strong>und</strong>iges Beispiel die Rolle „ethnischer Enklaven“ genannt<br />

(vgl. Kap. 7): Zwar bereiten ethnische Enklaven oder Herkunftsgemeinschaften von<br />

Zuwanderern offensichtlich in Mehrheitsgesellschaften ohne <strong>Migration</strong>shintergr<strong>und</strong><br />

Probleme, aber viele Erfahrungen aus abgeschlossenen, d.h. historischen<br />

Einwanderungsprozessen zeigen, dass sie auf weite Sicht die <strong>Integration</strong> in der<br />

Regel mehr erleichtern als erschweren. Das hängt im einzelnen aber von einer<br />

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