Migration und Integration - RatSWD

Besondere Konfliktbereiche bei der Migrationssteuerung und der Integrationsgestaltung
allerdings auch (in der Statistik als solche nicht ausgewiesene) eingebürgerte
Jugendliche und Aussiedler/Spätaussiedler eine große Rolle.
Wachsende Strafhärte gegenüber Ausländern
Der Vergleich der PKS mit der Strafverfolgungsstatistik ergab in der Vergangenheit,
dass der Anteil der Ausländer an den Verurteilten erheblich geringer war als ihr
Anteil an den Tatverdächtigen. Dies wurde als Indiz dafür gewertet, dass Ausländer
häufiger angezeigt bzw. von der Polizei als Täter verdächtigt werden, dass häufig
wegen Bagatellen polizeilich gegen sie ermittelt wird und dass Tatvorwürfe übertrieben
hoch eingestuft werden (BMI/BMJ 2001: 314). Inzwischen sind die Relationen
zwischen Tatverdächtigen und Verurteilten bei Deutschen und Ausländern relativ
deckungsgleich geworden. Damit wird die Praxis der Strafzumessung zu einem
wichtigen Indikator für den Umgang von Polizei und Justiz mit Straftaten von
Zuwanderern, denn es ist davon auszugehen, dass sich die Wahrnehmung von Ausländern
als Kriminalitätsrisiko auch auf die Strafhärte auswirkt. Weltweit tragen
Migranten und ethnische Minderheiten im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung
des jeweiligen Staates ein höheres Risiko, wegen einer Straftat angeklagt bzw.
zu Freiheitsentzug verurteilt zu werden. Die Daten zur Strafverfolgung von Deutschen
und Nichtdeutschen zeigen, dass auch in der Bundesrepublik bei der Praxis
der Strafzumessung gravierende Unterschiede zwischen Deutschen und Nichtdeutschen
bestehen: Die gegen Ausländer verhängten Strafen sind seit 1993 erheblich
härter ausgefallen und weit strenger als die Strafen gegen deutsche Angeklagte
(Gutachten Pfeiffer et al.). In einem Rechtsstaat wie Deutschland, der nach dem
Grundgesetz und seinem inneren Selbstverständnis dazu verpflichtet ist, Ausländer
und Deutsche gleich zu behandeln, ist dies ein deutliches Beispiel institutioneller
Diskriminierung (vgl. Kap. 8.6). Hinsichtlich der Ursachen ist davon auszugehen,
dass die Schichtzugehörigkeit bei der Strafzumessung ebenso wie bei der Kriminalitätsbelastung
– unabhängig vom Migrationshintergrund – eine entscheidende Rolle
spielt.
Im Rahmen einer grundlegenden Untersuchung muss analysiert werden,
wie es zu offenkundigen Divergenzen der Strafzumessungspraxis
gegenüber Deutschen und Ausländern kommen kann. Bereits zum jetzigen
Zeitpunkt sollten Richter und Staatsanwälte in den Landesjustizverwaltungen
in ihrer Aus- und Fortbildung für dieses Problem sensibilisiert
werden.
Kriminalität als Steuerungsproblem
Die Ursachen von Kriminalität bei Migranten und damit auch Ansätze zur Prävention
und Bekämpfung können aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden: mit Blick
auf Zuwanderungssteuerung oder mit Blick auf Kriminalität als eine Folgeerscheinung
mangelnder Integration.
Eine nur auf die Begrenzung von Zuwanderung zielende Politik würde zu
kurz greifen, um der Kriminalität von Migranten entgegenzuwirken. Nur
eine Migrationssteuerung, die im Rahmen von Integrationspolitik gleichzeitig
und konsequent langfristige Lebensperspektiven und Integrationschancen
eröffnet, ist zur Bekämpfung von Kriminalität geeignet.
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