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Migration und Integration - RatSWD

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Besondere Konfliktbereiche bei der <strong>Migration</strong>ssteuerung <strong>und</strong> der <strong>Integration</strong>sgestaltung<br />

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> Kriminalität ist ein<br />

vielschichtiges <strong>und</strong> sensibles Thema in der Zuwanderungsdebatte, beschränkt sich<br />

aber meist auf die Frage nach der Kriminalitätsneigung von Ausländern – auch<br />

wenn eine Unterteilung der Bevölkerung in Deutsche <strong>und</strong> „Nichtdeutsche“ kriminologisch<br />

wenig Sinn macht <strong>und</strong> indirekt eine höhere Kriminalitätsneigung von<br />

Ausländern suggeriert. Staatsangehörigkeit oder ethnische Herkunft dürfen<br />

jedoch nicht als entscheidend für Kriminalitätsneigung gesehen werden; aus wissenschaftlicher<br />

Sicht bestehen keine Zweifel daran, dass diese vielmehr auf individuelle<br />

<strong>und</strong> milieuspezifische Lebenslagen zurückzuführen ist.<br />

Zwischen Deutschen <strong>und</strong> „Nichtdeutschen“ wird vor allem in der Polizeilichen Kriminalstatistik<br />

(PKS) unterschieden. Mit diesen Daten lassen sich jedoch nur über<br />

Zuwanderer ohne deutschen Pass statistische Aussagen treffen, nicht über Eingebürgerte<br />

oder Spätaussiedler. Dies ist ein weiteres prägnantes Beispiel für die nur<br />

begrenzt aussagefähige deutsche Statistik in den Bereichen <strong>Migration</strong> <strong>und</strong> <strong>Integration</strong><br />

(vgl. Kap. 9). Stellt man beispielsweise auf der Basis der PKS die Ausländerquoten<br />

bei schwer wiegenden Straftaten <strong>und</strong> bestimmten Deliktgruppen dar, kommt<br />

man für das Jahr 2002 zu dem Bef<strong>und</strong>, dass die Kriminalitätsrate der Ausländer<br />

ihren Bevölkerungsanteil bei weitem übersteigt – bei Gewaltdelikten <strong>und</strong> beim<br />

Drogenhandel um etwa das Dreifache; bei Diebstahl, Betrugsdelikten <strong>und</strong> der insgesamt<br />

registrierten Kriminalität um mehr als das Doppelte. In der öffentlichen<br />

Debatte wird die Verknüpfung von Zuwanderung <strong>und</strong> Kriminalität deshalb überwiegend<br />

von der Vorstellung geprägt, dass Deutschland von zunehmender „Ausländerkriminalität“<br />

bedroht sei. Dadurch werden bestehendes Misstrauen <strong>und</strong> vorhandene<br />

Ängste gegenüber Migranten verstärkt <strong>und</strong> die Aufnahme- <strong>und</strong> <strong>Integration</strong>sbereitschaft<br />

der Gesellschaft verringert.<br />

Die begrenzte Aussagefähigkeit der PKS ist wiederholt kritisiert worden: Eine Reihe<br />

von Verzerrungsfaktoren führen zu einer Überhöhung der Kriminalitätsbelastung<br />

der in der B<strong>und</strong>esrepublik lebenden Ausländer (Schwind 2004). Außerdem registriert<br />

die PKS keine verurteilten Täter, sondern nur Tatverdächtige. Sie lässt somit<br />

keine Aussagen über die tatsächliche Täterschaft, Anklage oder Verurteilung zu.<br />

Aufschlussreich ist allerdings auch auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser schlechten Datenlage<br />

eine Längsschnittbetrachtung der Kriminalität von Migranten: Es zeigt sich nämlich,<br />

dass der Anteil der Ausländer an allen Tatverdächtigen in den zurückliegenden<br />

Jahren kontinuierlich gesunken ist.<br />

Angesichts des sinkenden Anteils der Ausländer an der Gesamtheit aller<br />

Tatverdächtigen muss eine offensive <strong>und</strong> ehrliche Aufklärungsarbeit<br />

betrieben werden, die überzogenen Ängsten in der breiten Öffentlichkeit,<br />

aber auch bei Entscheidungsträgern entgegenwirkt. Nur so kann<br />

das gesellschaftliche Klima für eine konstruktive <strong>Integration</strong>spolitik<br />

geschaffen werden.<br />

In den neuen B<strong>und</strong>esländern ist eine Abnahme der ausländischen Tatverdächtigen<br />

von 22 Prozent (1993) auf 13,6 Prozent (2002) zu beobachten. Dieser im Vergleich<br />

zum Bevölkerungsanteil der Nichtdeutschen von nur 2,2 Prozent sehr hohe Anteil<br />

findet seine Erklärung zum einen darin, dass in Ostdeutschland jeder zweite nicht<br />

deutsche Tatverdächtige wegen Verstößen gegen das Ausländergesetz oder das<br />

Asylverfahrensgesetz registriert wird. Ohne diese Straftaten sank der Anteil der<br />

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