Migration und Integration - RatSWD

Wirtschaftliche Notwendigkeit und Effekte der Zuwanderung
Bei den jährlich ermittelten Kontingenten müssen die Zahl der benötigten
Zuwanderer und deren Qualifikationen und Integrationsfähigkeit gegeneinander
aufgewogen werden. Höhere Anforderungen führen zwangsläufig zu einem
Absinken der Zahl möglicher Aufenthaltstitel. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss,
dass die letztlich ermittelte Zahl als Zielgröße zu verstehen ist, die
Deutschland aus eigenem wirtschaftlichen Interesse aktiv anstreben sollte. Kommen
weniger Zuwanderer als gewünscht, so bedeutet dies, dass ein Arbeitskräftemangel
mit den damit verbundenen negativen Folgen für Unternehmen und
Volkswirtschaft bestehen bleibt. Attraktive Zuwanderungsbedingungen sind das
geeignete Mittel, um die quantitativ und qualitativ erwünschten Zuwanderer
auch tatsächlich für Deutschland zu gewinnen.
Engpass-Diagnostik verbessert Entscheidungsgrundlagen
im Bildungs- und Qualifikationssystem
Der Zuwanderungsrat weist darauf hin, dass eine gute Engpass-Diagnostik
auch ein wichtiger Indikator dafür ist, in welchen Bereichen die inländischen
Bildungsanstrengungen und Qualifikationsmaßnahmen verstärkt werden
müssen. Wenn gezielte Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen mittelfristig
Engpässe vermeiden, dann wird von der Engpass-Diagnostik automatisch
kein Zuwanderungsbedarf mehr ermittelt. Solange aber bei hoher Arbeitslosigkeit
Engpässe zu diagnostizieren sind, ist dies auch ein Hinweis auf eine zu
geringe berufliche Anpassung von Angebot und Nachfrage des Arbeitsmarktes.
Insbesondere dann, wenn in bestimmten Berufen dauerhaft ein Engpass angezeigt
werden sollte, ergibt sich Handlungsbedarf für die Bildungs- und Berufsberatung.
Die prognostische Kraft einer Engpass-Diagnostik ist sicherlich beschränkt, da
auch im Zusammenhang mit akademischen Berufen immer wieder deutlich
geworden ist, dass eine weite vorausschauende Prognose zukunftsgeeigneter
Berufs- und Studienabschlüsse nicht gelingen kann (Anz et al. 2002). Dennoch gilt
es, berufliche Bedarfe, die sich aktuell am Arbeitsmarkt abzeichnen, sehr deutlich
auch an Multiplikatoren in Bildungs- und Beratungseinrichtungen zu vermitteln.
Gemeinsam mit der Darstellung der strukturellen Entwicklung bei der Nachfrage
nach Arbeitskräften können Entscheidungen zur Bildungsinvestition und Berufswahl
so auf eine bessere Grundlage gestellt werden. Dabei ist insbesondere auch
auf die zielgerichtete Ansprache von Personen zu achten, die auf Grund ihrer
sozialen Herkunft einen längeren Weg zu höheren Qualifikationen zurücklegen
müssen (vgl. auch Kap. 7.3.2). Eine zum Abbau von Engpässen erfolgte Zuwanderung
kann und darf die notwendigen Bildungsinvestitionen in Deutschland nicht
ersetzen. Engpass-Diagnostik aber kann dazu beitragen, diese Investitionen besser
zu platzieren. So wurde bei den Verhandlungen zur „Green Card“ neben der
Zulassung eines bestimmten Kontingents von ausländischen IT-Experten die
Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze in diesem Bereich vereinbart. Damit
entstand – wegen des Einbruchs auf dem IT-Sektor zum Teil zwar nur temporär –
eine direkte positive Wirkung auf den Arbeitsmarkt, sowohl im Bereich der dualen
Ausbildung als auch bei der Zahl der Studienanfänger in entsprechenden Studiengängen.
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