Migration und Integration - RatSWD

Integration: Chancen und Herausforderungen
reiche Teilnahme sanktioniert werden sollen. Hier zeichnet sich bislang keine
einheitliche Haltung ab. Dänemark und die Niederlande tendieren zu ausgrenzenden
Sanktionen; Frankreich, Norwegen, Schweden und das Vereinigte
Königreich hingegen zu einer am Lernprozess orientierten Förderung und Kontrolle.
Die EU-Staaten unterscheiden sich auch darin, ob der Staat ein entsprechendes
Angebot vorhalten muss und ob sich die Zuwanderer selbst um die Teilnahme an
einem Sprachkurs und den Nachweis einer erfolgreichen Teilnahme kümmern
müssen. Ein weiteres ungelöstes Problem ist das angestrebte Niveau der Sprachkenntnisse.
Viele Experten warnen vor zu hohen Erwartungen an das als „ausreichend“
bezeichnete Sprachniveau. Nur eine Minderheit von Migranten mit höherer
Schulbildung wird mit dieser Lernstufe in die Lage versetzt, sich mündlich und
schriftlich in der Landessprache ausdrücken zu können; für die Mehrheit bleibt dieses
Ziel auch nach einem längere Zeit andauernden Sprachkurs unerreichbar.
Daher ist es nach Einschätzung von Experten um so wichtiger, dass sich an die Erstintegration
weitere Sprachkurse anschließen. Die bisherigen Sprachkurse seien in
der Regel zu stark standardisiert und zu wenig auf die speziellen Bedürfnisse und
Anforderungen der Teilnehmer ausgerichtet, so die Einschätzung.
Noch kontroverser als über Sprachkurse wird in den EU-Staaten über Orientierungskurse
diskutiert. Orientierungskurse werden durchaus als notwendig und
sinnvoll eingeschätzt, doch erweist sich ihre inhaltliche Ausgestaltung als außerordentlich
anspruchsvoll und schwierig. Dies betrifft weniger die Vermittlung von
Kenntnissen über Geschichte, Verfassung oder Rechtsordnung der Aufnahmegesellschaft
als vielmehr die Vermittlung von Werten und Normen. Außerdem geht es
um die Frage, wie der jeweilige kulturelle Hintergrund der Zuwanderer einbezogen
werden kann. Ohne diesen Einbezug, so die inzwischen vielfach vertretene Auffassung,
können die Lehrinhalte nicht vermittelt werden.
Die Diskussion über eine gemeinsame europäische Identität und Identifikation ist
bislang in keinem EU-Staat zum Abschluss gekommen. Dementsprechend zeichnen
sich in den Konzepten zu den Orientierungskursen eher grundlegende Zielsetzungen
als konkrete Inhalte ab. Auch in Deutschland empfiehlt es sich, Erprobungsmöglichkeiten
für Orientierungskurse zu schaffen, etwa in Form von Experimentierklauseln
in der entsprechenden Rechtsverordnung.
Insgesamt werden in den EU-Staaten folgende Aufgaben von Orientierungskursen
als unverzichtbar angesehen:
• Vermittlung der grundlegenden Werte westlicher Gesellschaften, ergänzt um
Grundkenntnisse über Geschichte und politische Institutionen,
• Vermittlung der individuellen Rechte und Pflichten im Wohlfahrtsstaat, Wissen
über Formen der Beteiligung, Antidiskriminierung und Gleichstellung von
Frauen und Männern,
• Vermittlung von Kenntnissen über Behörden und Beratungseinrichtungen für
die Bereiche Wohnung, Gesundheit, Schule, Ausbildung und Arbeitsmarkt.
Aus den bisherigen Erfahrungen der EU-Staaten mit Integrationskursen lassen sich
folgende Erkenntnisse gewinnen:
• Sprach- und Orientierungskurse können ein höchst brauchbares und sinnvolles
Instrument zur Erleichterung und Verbesserung der Integration sein.
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