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208<br />
4 Der Anti_Sarrazin<br />
und hei<strong>de</strong>nchristlicher Polemik eingegangen wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>nfalls wur<strong>de</strong> die<br />
ju<strong>de</strong>nchristliche Polemik auch von <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>nchristen als i<strong>de</strong>ologische<br />
Grundlage ihrer schon vorhan<strong>de</strong>nen antijüdischen Animosität übernommen<br />
(Schubert).<br />
Man erblickt zu Recht, insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>n für die Antike typischen Formen<br />
<strong>de</strong>r politischen Struktur, eines <strong>de</strong>r wichtigsten und tragischsten Elemente in<br />
<strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Antijudaismus. Die mythische Reichsi<strong>de</strong>e, <strong>de</strong>r<br />
römische Kaiserkult, das sakrale Pflichtopfer, alle waren sie Instrumente<br />
<strong>de</strong>r Legitimitätsbegründung und Loyalitätsverfestigung. Waren zuerst nur die<br />
Ju<strong>de</strong>n diejenigen, die sich nicht anpassten, waren es jetzt auch die Christen.<br />
Mit <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>de</strong>s Christentums (Mailän<strong>de</strong>r Edikt 313 n. Chr.) und vor<br />
allem mit <strong>de</strong>m Co<strong>de</strong>x Theodosianus im Jahr 438 n. Chr. und <strong>de</strong>m Erlass "Über<br />
die Ju<strong>de</strong>n" (553 n. Chr.) wur<strong>de</strong> die politisch soziale Stellung <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n zur<br />
Mehrheitsbevölkerung in einem sakral verfassten christlichen Staat<br />
entschei<strong>de</strong>nd bestimmt (Ausschluss <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n aus öffentlichen<br />
Ämtern und Verbot, Freie o<strong>de</strong>r Sklaven zum Abfall vom Christentum<br />
zu bewegen). Der vom Ju<strong>de</strong>ntum übernommene Erwählungsanspruch wur<strong>de</strong><br />
gegen das Ju<strong>de</strong>ntum gekehrt.<br />
Der sich christlich konsolidieren<strong>de</strong> Staat übernahm die mythische Kaiseri<strong>de</strong>e<br />
<strong>de</strong>s heidnisch antiken Gemeinwesens. "Das kaiserlich-christliche<br />
Regiment 62 wur<strong>de</strong> als Abbild <strong>de</strong>r himmlischen Herrschaft Gottes verstan<strong>de</strong>n."<br />
Damit war die Teilnahme am religiösen Leben (z. B. Messe o<strong>de</strong>r Kommunion)<br />
mit entsprechen<strong>de</strong>r Anerkennung im Staatswesen verbun<strong>de</strong>n. Dies führte zu<br />
einer bis ins 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt unterschwelligen, aber wirkungsvollen<br />
Dämonisierung (bis Verteufelung) <strong>de</strong>s jüdischen Menschen. Über die bis heute<br />
vorgebrachte Beschuldigung hinsichtlich <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s Christi hinaus sind es vor<br />
allem immer wie<strong>de</strong>r artikulierte Vorwürfe wie Ritualmord, Hostien- und<br />
Reliquienschändung, Lästerung und Brunnenvergiftung. Der Antisemitismus<br />
ist daher in dieser Phase eine Folge <strong>de</strong>r Verchristlichung <strong>de</strong>r Welt, die zu<br />
einer konzisen Typisierung <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>n führte, die in <strong>de</strong>r vorherigen Zeit<br />
offensichtlich nicht erfolgte. Sulzbach weist darauf hin, dass <strong>de</strong>r christliche<br />
Antisemitismus im Gegensatz zur emotionellen Feindschaft seitens <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n<br />
einen intellektuellen Vorgang darstellt, "eine logische Deduktion aus<br />
gegebenen Prämissen im Rahmen <strong>de</strong>r christlichen Heilslehre". Als<br />
"Christusmör<strong>de</strong>r", gelegentlich auch Gottesmör<strong>de</strong>r, waren die Ju<strong>de</strong>n hinfort<br />
ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>finiert. Was sie an Vertreibung und Verfolgung hatten erfahren<br />
müssen, schien <strong>de</strong>n Christen Beweis <strong>de</strong>r Gerechtigkeit und <strong>de</strong>s Zornes Gottes,<br />
<strong>de</strong>r die Verwerfung <strong>de</strong>s von ihm gesandten Messias ahn<strong>de</strong>te.<br />
"Die Ju<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n das einzig Frem<strong>de</strong>, das in <strong>de</strong>r mittelalterlichen Lebenswelt<br />
niemals assimiliert wer<strong>de</strong>n konnte." Gamm spricht von Aggressionen und<br />
62 Wie <strong>de</strong>r Atlas über die I<strong>de</strong>ologiemilieus in Österreich in <strong>de</strong>r Ersten Republik<br />
zeigt, hatte diese I<strong>de</strong>ologie <strong>de</strong>r Verbindung von Christentum mit weltlicher<br />
Herrschaft weit zurückreichen<strong>de</strong> Wurzeln.