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1.3 Bau <strong>de</strong>r Gesellschaft – Begriffsmo<strong>de</strong>ll 89<br />

"was fühlen Kin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nen immer wie<strong>de</strong>r eingehämmert wird, sie seien an<strong>de</strong>rs, sie sein<br />

Türken: Türken sein dreckig, stinken, essen Knoblauch ... Inzwischen ist meine<br />

jüngste Tochter volljährig. Doch sie kämpft immerzu mit <strong>de</strong>n I<strong>de</strong>ntitätsproblemen,<br />

<strong>de</strong>utsch o<strong>de</strong>r türkisch zu sein. Eine Zeit lang fühlte sie sich ganz stark als Deutsche.<br />

Sie wollte mit <strong>de</strong>n eigenen Landsleuten nichts mehr zu tun und nur <strong>de</strong>utsche Freun<strong>de</strong><br />

haben. Es hat sie stets geärgert, dass ihre eigene ältere Schwester blaue Augen hatte<br />

und sie nicht. Sie sah nun wirklich typisch türkisch aus. Manchmal schimpfte sie mit<br />

uns:' Ihr seid Türken, aber ich bin eine Deutsche: Türken sind nicht gut, Deutsche sind<br />

besser'" 29<br />

"Die I<strong>de</strong>ntitätsverläufe sind niemals ein<strong>de</strong>utig und gradlinig, weil sich im Bewusstsein<br />

<strong>de</strong>r Opfer auch <strong>de</strong>r Schmerz <strong>de</strong>r Ablehnung angesammelt hat. Er wiegt umso<br />

schwerer, als er <strong>de</strong>n persönlichen Wusch "normal <strong>de</strong>utsch" sein zu wollen, normativ<br />

verunreinigt und als unmöglich zurückweist. Solche Erfahrungen führen dazu, dass<br />

eine junge Deutsch-Türkin, die bereits einen westlichen Vornamen angenommen hatte<br />

und sich innerlich <strong>de</strong>r katholischen Kirche angehörig fühlte, nach einem Vorfall mit<br />

<strong>de</strong>m Priester feststellen musste, das ihre Mitgliedschaft in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> je<strong>de</strong>rzeit in<br />

Frage gestellt wer<strong>de</strong>n kann. Ihr wur<strong>de</strong> bewusst, dass sie selbst bei kultureller<br />

Assimilations- und religiöser Konversionsbereitschaft nicht über ihre Zugehörigkeit und<br />

I<strong>de</strong>ntität bestimmen kann. Sie musste einsehen, dass sie weiterhin von <strong>de</strong>r oft<br />

ausbleiben<strong>de</strong>n Anerkennung und Zustimmung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Mehrheit abhängig<br />

bleiben wird, die sie als 'Fremdkörper" festschreibt" (Ha 04, S. 59).<br />

"Zwischen zwei Stühlen"<br />

Labile I<strong>de</strong>ntitätslagen zwischen lila (Min<strong>de</strong>rheit) und grün (Mehrheit). Dies wur<strong>de</strong> in<br />

unserer Studie 1977 bezüglich <strong>de</strong>r Gastarbeiter in <strong>de</strong>r BRD und Österreich als<br />

überwiegen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>ntitätsform festgehalten. Zwischenzeitliche empirische Studien<br />

müssten nach diesen theoretischen Parameter hinterfragt, neue Studien, die sich<br />

dieser Kriterien bedienen, müssten angestellt wer<strong>de</strong>n. Eine naive Reformulierung <strong>de</strong>r<br />

Marginalität fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>wendung: "MigrantInnen befin<strong>de</strong>n sich zwischen<br />

zwei Stühlen". Von kritischen Migrationstheoretikern <strong>de</strong>r MigrantInnengruppen selbst<br />

wird diese Formulierung bereits heftig abgelehnt.<br />

Zitat: " Ein berühmtes Bild war das <strong>de</strong>r "zwischen zwei Stühlen Sitzen<strong>de</strong>n". Die<br />

MigrantInnen wur<strong>de</strong>n so nicht als han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Subjekte, son<strong>de</strong>rn als zur<br />

Passivität verurteilte, lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Individuen abgestempelt. Als die "Armen" <strong>de</strong>nen die<br />

Eingeborenen in zweifacher Weise helfen wollten: Entwe<strong>de</strong>r als HelferInnen, die ihnen<br />

paternalistisch <strong>de</strong>n Weg in die "Integration" zeigen, o<strong>de</strong>r als RückschieberInnen, die<br />

angeblich vor allem die Entwurzelung <strong>de</strong>r MigrantInnen stört und darum "Zurück mit<br />

Ihnen in die Idylle ihrer malerischen Heimatdörfer". Die Bunte Zeitung 2/2001.<br />

Auch Migrationstheoretiker, die nicht in eine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n obigen Gruppen fallen, hätten<br />

zu beachten, dass es infolge etwa <strong>de</strong>r hier geschil<strong>de</strong>rten Ausgrenzungsprozesse <strong>de</strong>r<br />

Mehrheit zur Verfestigung <strong>de</strong>r meisten MigrantInnen in neuen Unterschichten unter<br />

<strong>de</strong>n untersten bisherigen Schichten kommt, und dass es bei <strong>de</strong>rartigen politischen,<br />

wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Distanzierungen und Unterdrückungen sehr<br />

wohl zu be<strong>de</strong>nklichen und labilen Individual- und Gruppenprofilen an I<strong>de</strong>ntität kommen<br />

kann. Diese Fakten nicht zu beachten, wäre sicherlich auch für aus <strong>de</strong>m Kreise <strong>de</strong>r<br />

29 Zitiert bei (Ha 04, S. 59).

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