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56<br />
1 Ein theoretisches Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />
Marginale Positionen beziehen sich in multi-ethnisch verfassten Gesellschaften<br />
auf die Dimension ethnischer Beziehungen <strong>de</strong>r Sozialstruktur (im Unterschied<br />
etwa zu ökonomischen Beziehungen). Marginale Positionen sind dadurch<br />
<strong>de</strong>finiert, daß im System ethnischer Beziehungen zwischen Mehrheit und<br />
Min<strong>de</strong>rheit ihre Zugehörigkeit unklar ist.<br />
Zur Veranschaulichung sei auf jene historischen Verhältnisse verwiesen, aus<br />
<strong>de</strong>ren Zusammenhang die Marginalitätsdiskussion überhaupt entstand, die<br />
Auflösung <strong>de</strong>s jüdischen Ghettos. Für die Perio<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Ghettos galt: '1. Die<br />
jüdische Gruppe war räumlich und sozial eine geschlossene Gruppe ... 2. Die<br />
Zugehörigkeit zu <strong>de</strong>r Gruppe war klar gekennzeichnet ... 3. Die Grenze<br />
zwischen <strong>de</strong>r jüdischen Gruppe und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gruppen hatte <strong>de</strong>n<br />
Charakter einer festen und fast unüberschreitbaren Barriere' (Lewin 1953,<br />
211/212). In <strong>de</strong>r Perio<strong>de</strong> <strong>de</strong>r jüdischen Emanzipation konnte die jüdische<br />
Gruppe nicht mehr als geschlossene Gruppe bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Die 'Grenze'<br />
zwischen <strong>de</strong>n Gruppen wur<strong>de</strong> durchlässig, es entstan<strong>de</strong>n die Positionen <strong>de</strong>s<br />
emanzipierten o<strong>de</strong>r sich emanzipieren<strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n 'zwischen' jüdischer und<br />
Mehrheitsgesellschaft. 'Die Person, die aufgrund von Migration, Bildung,<br />
Eheschließung o<strong>de</strong>r eines an<strong>de</strong>ren Einflusses eine Gruppe verlässt, ohne eine<br />
neue befriedigen<strong>de</strong> Bindung an eine an<strong>de</strong>re Gruppe zu fin<strong>de</strong>n', beschreibt<br />
Stonequist (1937, 2) die Individuen als 'Inhaber' solcher marginaler<br />
Positionen. Nicht die Mitgliedschaft in mehreren Gruppen – wie Albrecht<br />
(1974) vermutet – son<strong>de</strong>rn die ungeklärte Zugehörigkeit zu Gruppen<br />
konstituiert marginale Positionen. Beispiele für marginale Positionen aus <strong>de</strong>m<br />
Kontext <strong>de</strong>r Arbeitsmigranten wären Positionen, die durch Verlust von<br />
Bindungen an die Herkunftskultur, Teilassimilation, aber Nichtzugehörigkeit<br />
zur Mehrheitsgesellschaft gekennzeichnet sind; diese lassen sich in <strong>de</strong>r ersten<br />
Migrantengeneration, vor allem aber in <strong>de</strong>r zweiten Generation fin<strong>de</strong>n.<br />
Nichtzugehörigkeit zur Mehrheitsgesellschaft zeigt sich juristisch häufig als<br />
Nichtbesitz <strong>de</strong>r Staatsbürgerschaft, bei permanenter 'Anwesenheit im<br />
staatlichen Territorium'.<br />
Wir unterschei<strong>de</strong>n drei Konstituierungsfaktoren marginaler Positionen. Ihre<br />
offensichtlich objektive Voraussetzung ist zunächst die Existenz einer<br />
ethnischen Min<strong>de</strong>rheitenkultur bzw. bestimmter Elemente einer<br />
Min<strong>de</strong>rheitenkultur und die Art ihres Einflusses. Im System ethnischer<br />
Beziehungen haben wir es häufig mit einer relativ geschlossenen<br />
Min<strong>de</strong>rheitenkultur zu tun, die in <strong>de</strong>r Lage ist, ein<strong>de</strong>utige Zugehörigkeiten<br />
festzulegen. Im Prozess <strong>de</strong>r Abschwächung o<strong>de</strong>r Auflösung von<br />
Min<strong>de</strong>rheitenkulturen o<strong>de</strong>r ihrer nur 'stückhaften' Herausbildung verlieren<br />
diese jedoch o<strong>de</strong>r gewinnen erst gar nicht ein ethnisch stabiles Sozialisationsund<br />
I<strong>de</strong>ntifikationspotential.<br />
Zu <strong>de</strong>n objektiven Konstitutionsmomenten marginaler Positionen gehört<br />
weiterhin ein Hierarchieverhältnis zwischen Mehrheits- und<br />
Min<strong>de</strong>rheitenkultur. 'Die Gruppen stehen in einem Gleichgewichtsverhältnis<br />
zueinan<strong>de</strong>r', betont Stonequist (1937, 121). Gleichberechtigte und<br />
gleichwertige Beziehungen zwischen ethnischen Gruppen wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r