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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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100<br />

„Starhemberg-Heimatschutz“ wegen erhoffter materieller Unterstützung, Aufnahme<br />

in einen staatlichen Betrieb oder in einen Assistenzkörper angeschlossen. 282<br />

Die Aktivitäten der obersteirischen Kommunisten wurden von der Exekutive,<br />

auch mit Hilfe von Spitzeln, laufend beobachtet <strong>und</strong> registriert. Im Oktober 1926<br />

beispielsweise ordnete das B<strong>und</strong>eskanzleramt die Untersuchung einer mutmaßlichen<br />

kommunistischen Agitationszentrale im Raum Leoben an, die als Drehscheibe für<br />

die Aufnahme <strong>und</strong> Ausbildung von aus Ungarn geflohenen Anarchisten fungieren<br />

sollte. Die aus Ungarn stammenden Informationen wurden anlässlich der Verhaftung<br />

eines ungarischen Anarchisten in Budapest an die österreichischen Behörden weitergeleitet.<br />

Dieser soll während seiner Beschäftigung im Kohlenrevier Seegraben in den<br />

Jahren 1922–1923 ein Attentat auf den ungarischen Reichsverweser Horthy geplant<br />

haben. Als Kopf dieser Emigrantenorganisation galt der in Leitendorf bei Donawitz<br />

wohnhafte Franz Bandl, der im Verdacht stand, während der ungarischen Räteherrschaft<br />

Gräueltaten begangen zu haben. Die Erhebungen des LGK ergaben jedoch, dass<br />

keinerlei Organisation dieser Art in Leoben jemals existiert hatte. Bandl fungierte<br />

zwar als Ratgeber der ungarischen Emigranten in Leoben, war jedoch politisch nicht<br />

in Erscheinung getreten. Einige der ungarischen Emigranten wanderten 1926 nach<br />

Frankreich aus, die übrigen aus dem Burgenland stammenden Bergleute, die in den<br />

Kohlenrevieren Münzenberg <strong>und</strong> Seegraben arbeiteten, waren teils kommunistisch<br />

organisiert. In Donawitz hatten die Kommunisten nahezu die Hälfte der Mandate<br />

bei den Betriebsratswahlen 283 erlangt, heißt es hier im Bericht. Dies sei jedoch nicht<br />

so zu deuten, als ob es in Donawitz so viele Anhänger der kommunistischen Partei<br />

gäbe, sondern der Großteil der kommunistischen Stimmen stamme vielmehr von<br />

„unzufriedenen“ Sozialdemokraten. 284<br />

In erster Linie wurden Versammlungen einberufen, um Delegierte für Schulungen<br />

in Russland zu begeistern. Bei diesen Gelegenheiten riefen Durstmüller <strong>und</strong> Leeb zum<br />

Widerstand gegen die „Anschläge des faschistischen Staates auf die gesamte Sozialversicherung“<br />

sowie zur Solidarität mit den Entlassenen <strong>und</strong> Delogierten, den vermeintlichen<br />

Opfern der Politik der ÖAMG, auf. Im Mittelpunkt harschester Kritik standen<br />

naturgemäß die „Alpine-Heimwehrbonzen“, welche keine Gelegenheit ausließen, die<br />

Arbeiter in die Reihen der Heimwehr zu zwingen <strong>und</strong> ihnen bei Verweigerung mit<br />

Drohungen zu traktieren. Die als vorbildlich betrachtete planwirtschaftliche Tätigkeit<br />

der Sowjetunion wurde als Alternative zum „verfaulten“ kapitalistischen System des<br />

„Westens“ gepriesen. Immer wieder kam es zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen<br />

mit den „sozialistischen Verrätern“, die nach Meinung der KPÖ wegen „Packelns“ mit<br />

dem bürgerlichen Gegner mitschuldig an der Misere der Arbeiterschaft waren.<br />

282 StLA ZGS (BKA) K.81/8 (Fol.73–74).<br />

283 Bei den Betriebsratswahlen 1926 in Donawitz erreichte die KPÖ 7 von 19 Mandaten (SDAP 10, CSP<br />

2), bis 1930 sank die Mandatszahl der KPÖ auf 0. Im Kohlenrevier Seegraben errang die KPÖ im<br />

Jahr 1926 sogar 7 von 15 Mandaten (SDAP 8), bis 1930 sank die Mandatszahl der KPÖ auf 1; siehe<br />

dazu Karl Stocker, Akkumulationszwang <strong>und</strong> Arbeiterinteresse. Beiträge über die Umsetzung<br />

von Verwertungsinteressen in soziale Tatsachen am Beispiel der ÖAMG. In: Hinteregger/Müller/Staudinger,<br />

Freiheit, S. 259.<br />

284 StLA L.Reg. K.213: Gr.384 (1926): BKA 167179-8/25.10.26; Zl.2451/3 PI/19.4.26;<br />

LGK ENr.46res/14.12.26.

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