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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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meinte, es ginge der Todesengel in den Reihen des „sterbenden“ Landtages um. 240<br />

Dieses Gesetz schloss sämtliche den verbotenen Parteien zugehörigen Vertreter aus<br />

anderen Vertretungskörpern, Behörden <strong>und</strong> Körperschaften, wie dem B<strong>und</strong>esrat,<br />

Gemeindevertretungen <strong>und</strong> Schulräten, ebenfalls aus. 241 In weiterer Folge wurde ein<br />

Antrag des Landb<strong>und</strong>es angenommen, wonach der Landeshauptmann beauftragt<br />

werden sollte, in jenen Gemeinden, in denen die Mehrheitsverhältnisse durch das<br />

Verbot gr<strong>und</strong>legend verschoben wurden, die Gemeindevertretungen aufzulösen <strong>und</strong><br />

Regierungskommissäre einzusetzen. 242 Dies geschah dann auch in Leoben am 11.<br />

August 1933: An diesem Tag übernahm Dr. Eugen Netoliczka-Baldershofen, dem<br />

5 Beiräte beigegeben wurden, als Regierungskommissär die Gemeindegeschäfte.<br />

Nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Partei am 12. Februar 1934 schieden<br />

die beiden sozialdemokratischen Beiräte aus. 243<br />

Nach seinem Besuch bei Mussolini im August 1933 ging Dollfuß daran, den<br />

vom italienischen Duce geforderten antidemokratischen Weg konsequent zu verwirklichen.<br />

Im September rief Dollfuß den kommenden Ständestaat aus <strong>und</strong> bildete<br />

die Regierung durch einen radikalen Austausch der Parteienvertreter um. Mit dem<br />

Ausbau der bereits im Mai erschaffenen Vaterländischen Front sollten alle politischen<br />

Parteien bald der Vergangenheit angehören. 244 Aus diesem Anlass beriefen die<br />

sozialdemokratischen Bezirksfunktionäre <strong>und</strong> die Eisenbahnervertreter von Bruck<br />

an der Mur eine Reihe von Versammlungen unter der Leitung Wallischs ein, um das<br />

weitere Vorgehen zu besprechen. Prominentester Gast des Brucker Abgeordneten war<br />

Dr. Karl Renner, der in einem Referat über die politische Lage Österreichs die steirischen<br />

Sozialdemokraten mahnte, „die Gewehre zu schultern“. 245 Bei einer Konferenz<br />

Anfang Oktober fassten die sozialdemokratischen Eisenbahner den Beschluss, den<br />

Erlass Vaugoins, der Vaterländischen Front geschlossen beizutreten, zu boykottieren.<br />

Ferner wurde zum aktiven Widerstand gegen eventuelle Disziplinarmaßnahmen der<br />

Eisenbahnverwaltung aufgerufen; zumindest in Bruck an der Mur sollte gestreikt<br />

werden. Laut Konfidentenbericht rechneten die sozialdemokratischen Vertrauensleute<br />

mit der Solidarität von etwa 75 Prozent der Brucker Bevölkerung sowie mit<br />

zusätzlicher Unterstützung von den Eisenbahnern der verbotenen NSDAP <strong>und</strong> des<br />

Steirischen Heimatschutzes, die wohl beschlossen hatten, die Beitrittslisten zu unterfertigen,<br />

aber drohten, sich an der Regierung „bitter (zu) rächen“. So kam es zu<br />

einem Schulterschluss zwischen dem Leiter der obersteirischen sozialdemokratischen<br />

Eisenbahner <strong>und</strong> den Leitern der nationalsozialistischen Eisenbahner <strong>und</strong> des Steirischen<br />

Heimatschutzes, die sich „für den Fall, dass die Regierung Maßnahmen trifft“<br />

240 StLA Sten. Ber.Stmk.Landtag 1931–1934, 1–65 (57.Sitzung 26.2.1934) S. 960.<br />

241 Karner, Steiermark S. 149; S. 156.<br />

242 StLA Sten. Ber.Stmk.Landtag 1931–1934, 1–65 (50.Sitzung 29./30.7.1933) S. 874–875.<br />

243 Freudenthaler, „Eisen auf immerdar!“ S. 396.<br />

244 Goldinger/Binder, Österreich S. 208–210.<br />

245 StLA ZGS (BKA) K.82/9 (Fol.1215–1219). Gerade Renner wollte aber einen Kampf verhindern.<br />

Seine Worte waren bloße Lippenbekenntnisse, um die aufgebrachte Arbeiterschaft zu beruhigen:<br />

Zu diesem Zeitpunkt stand er bereits in Verhandlungen mit den Vertretern der demokratischgesinnten<br />

Christlichsozialen Niederösterreichs, um eine Beilegung der Krise herbeizuführen:<br />

Kriechbaumer, Politische Kultur, S. 367–377.

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