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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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218<br />

Sozialdemokraten niederschlug. Ab Ende 1928 war eine neue Ära in der Geschichte<br />

der NSDAP in der Steiermark angebrochen, als Gauleiter Walther Oberhaidacher die<br />

Entwicklung der Bewegung energisch vorantrieb. Der strebsame Südtiroler scheute<br />

keine Mühen, um seine ehrgeizigen Pläne, auch im Hinblick auf die eigene Karriere,<br />

in die Tat umzusetzen. Die von ihm ab März 1931 herausgegebene Zeitung „Der<br />

Kampf“ gewährt einen – freilich propagandistischen – Einblick in die Mentalität<br />

der NS-Führung <strong>und</strong> deren Agitationsmethoden auf der kommunalen Ebene. Im<br />

Verein mit anderen Quellen <strong>und</strong> ergänzender Literatur gibt die Zeitung dennoch<br />

ein anschauliches Bild der Parteiarbeit in einem von starken Gegensätzen geprägten<br />

politischen Umfeld wieder. In dem Bewusstsein, aus einer unerbittlichen Auseinandersetzung<br />

mit den sicherlich nicht zimperlichen politischen Kontrahenten als Sieger<br />

hervorgehen zu müssen, versuchten die Nazis, diese unter dem Druck des ständigen<br />

Versammlungsterrors zu zermürben. Aus der offiziellen Sicht der NSDAP, deren<br />

Propagandamaschinerie Übeltaten gerne mit Euphemismen tarnte, wurde dieser<br />

als notwendige Selbstverteidigungsstrategie deklariert. Der politische Gegner freilich<br />

übte stets Terror aus. 699 Ein Beispiel für die selbstgefällige Überheblichkeit der<br />

Berichterstattung des „Kampf“ bietet die Darstellung einer sozialdemokratischen<br />

Versammlung im April 1931 in Trofaiach, die wie so oft in einer blutigen Massenschlägerei<br />

endete. 700<br />

Dass die Entwicklung der österreichischen NSDAP (Hitlerbewegung) mit dem<br />

Schicksal der Bruderpartei in Deutschland eng verknüpft war, liegt auf der Hand. Der<br />

Aufstieg der NSDAP zur zweitstärksten Partei bei den Reichstagswahlen im September<br />

1930 verlieh der österreichischen Partei starken Rückenwind. Ab 1931 begann in der<br />

ganzen Steiermark eine Phase der intensiven Versammlungs- <strong>und</strong> Werbetätigkeit, die<br />

einen Höhepunkt vor den Gemeinderatswahlen im April 1932 erreichte. Mit einer<br />

Bilanz von 124 Versammlungen <strong>und</strong> r<strong>und</strong> 14.500 Besuchern <strong>und</strong> Besucherinnen im<br />

Wahlmonat April überflügelte die NSDAP die zweitplatzierte KPÖ mit 54 <strong>und</strong> den<br />

drittplatzierten Steirischen Heimatschutz mit 52 Versammlungen um mehr als das<br />

699 Steirische Gaunachrichten der NSDAP (18.10.1932) S. 1: Es vergeht kein Tag, an der nicht die dicksten<br />

Lügen <strong>und</strong> Verleumdungen gegen unsere Bewegung oder deren Führer losgelassen werden. (…)<br />

Dazu kommt noch der Terror gegen unsere Mitglieder auf wirtschaftlichem Gebiete <strong>und</strong> die zahllosen<br />

<strong>Gewalt</strong>taten des roten Untermenschentums gegen unsere S. A., S. S. -Männer <strong>und</strong> Hitlerjungen.<br />

700 StLA ZGS K.221 (1931–1935): Mappe 1931: Vorwärts trotz Terror, Schikane, Blut <strong>und</strong> Lügen! Versammlungsschlacht<br />

in Trofaiach. In: Der Kampf (2.5.1931) S. 1: Der große Tag kam <strong>und</strong> mit ihm<br />

der Referent, kein Berliner zwar, aber immerhin – wie denn anders? – ein Jude, Dr. Luitpold Stern,<br />

Direktor der Arbeiterhochschule in Wien. Große Kanonen also! Daß wir Nationalsozialisten da waren,<br />

ist klar, <strong>und</strong> ebenso, daß wir damit rechneten, in dieser öffentlichen Versammlung auch zu Wort<br />

zu kommen, so ein wenig nur zur Feststellung, was mehr Traum ist, unser kommendes Drittes Reich<br />

oder das Zweite, das die Roten sich 1918 gebaut haben, voll „Schönheit <strong>und</strong> Würde“. (…) unserem Gegenredner<br />

wurden nur fünf Minuten zu einer Anfrage zugebilligt. Pg. Scharizer wies darauf hin, dass<br />

sie sich wohl schämen sollten, als Patentdemokraten, mit einem Referenten aus dem „auserwählten“<br />

Volk noch dazu, keine Gegenrede zu gestatten. (…). Die Antwort darauf war echt marxistisch:<br />

der tätliche Angriff auf uns mit allem Rüstzeug geistiger Abwehr, wie Bierkrügel, Sessel, Stahlruten,<br />

Gummiknüttel, ja ein solcher Patentpazifist rückte gar mit einem Dolch an. Nun, Träumer so ganz<br />

<strong>und</strong> gar, wie sie es wollen, sind wir wieder nicht, <strong>und</strong> so gab’s ein nettes Saalräumen. (…) Unsere brave<br />

S. A. hat, wie bei dem unerwarteten, wohlvorbereiteten Überfall nicht anders zu erwarten, leider<br />

14 Verletzte aufzuweisen, davon drei in ärztlicher Behandlung stehen. (…).

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