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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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146<br />

„jüdischen Sozialdemokratie“ gezielt zu parieren. Auf der Unternehmerseite waren<br />

es „die Juden vom Schwarzenbergplatz“, womit jene jüdischen Großindustriellen des<br />

Wiener Hauptverbandes, denen die Finanzierung von Heimatschutz <strong>und</strong> UG angelastet<br />

wurde, gemeint waren: Ing. Oberegger, Sepp Gstrein, Lengauer <strong>und</strong> Lichtenegger,<br />

Männer die sich vor den Alpinejuden gebeugt haben <strong>und</strong> von deren Schillingen zehren.<br />

Diese Herren arbeiten Tag <strong>und</strong> Nacht um euch zu hintergehen <strong>und</strong> euch eurer Rechte zu<br />

berauben. Die „Alpinepost“ sparte auch nicht mit persönlichen Beleidigungen: Oberegger<br />

wurde wegen seiner Allmacht angegriffen; Gstrein, Proponent <strong>und</strong> Sekretär der<br />

UG Donawitz, als „abgetackelter Studiosus mit zerhacktem Profil <strong>und</strong> großem Maul“<br />

abqualifiziert, Lengauer als korrupter Streikbrecher <strong>und</strong> Lichtenegger als Speichellecker<br />

dargestellt. 435 Das von den „Heimatschützlern“ aufgerichtete Betriebsregime wurde von<br />

der „Alpinepost“ immer wieder mit dem der kaiserlichen Armee gleichgesetzt: Der<br />

Heimatschutzkommandant <strong>und</strong> Betriebsleiter verkörperte den Typus des kaiserlichen<br />

Offiziers, der seine Untergebenen mit Vergnügen traktierte. Das Bild des gepeinigten<br />

Rekruten, der zur Strafe st<strong>und</strong>enlang „aufgehängt“ wurde, sollte den Arbeitern die<br />

wahren Intentionen der Befehlshaber von einst <strong>und</strong> jetzt vor Augen führen. 436<br />

Trotz aller Aufklärungskampagnen <strong>und</strong> Solidaritätsbek<strong>und</strong>ungen wurde bald<br />

klar, dass die Unternehmer <strong>und</strong> Arbeitgeber auf dem längeren Ast saßen. Die Klagen<br />

mehrten sich, dass sozialdemokratische Parteigänger, die den von ihren Vorgesetzten<br />

„nahegelegten“ Beitritt zum Heimatschutz abgelehnt hatten, unter irgendeinem<br />

Vorwand entlassen <strong>und</strong> durch ortsfremde Heimwehrleute oder arbeitslose Soldaten<br />

ersetzt wurden. Bei Arbeitsniederlegungen wurden diese als „verlässlich“ eingestuften<br />

Arbeitskräfte als Streikbrecher eingesetzt, um Kampfmaßnahmen zu unterhöhlen<br />

<strong>und</strong> die Streikenden zu demoralisieren. War die Entlassung mit dem Verlust der<br />

Werkswohnung verb<strong>und</strong>en, standen die Unglücklichen samt ihren Familien auf<br />

der Straße. Seitens der Betriebe wurde nichts unversucht lassen, die organisierte<br />

Arbeiterschaft zu zerschlagen. Die „Alpinepost“ berichtet von einem ausgeklügelten<br />

Spitzelwesen <strong>und</strong> empfiehlt ihren Anhängern, sich ja nicht in scheinbar harmlose<br />

politische Gespräche verwickeln zu lassen. 437 Jene Arbeiter, die trotz des „gelben“ Terrors<br />

ihrer „roten“ Überzeugung treu geblieben waren, nannte man „Blutorangen“. 438<br />

Mit zunehmender Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage gelang es dem Unternehmen,<br />

einen Großteil der organisierten Arbeiterschaft in die Reihen des Heimatschutzes<br />

<strong>und</strong> der UG zu zwingen. Bereits in der ersten Ausgabe des Vorläufers<br />

der „Alpinepost“ im Dezember 1928 wurde vor dieser Entwicklung gewarnt: Von<br />

435 Was ist die Unabhängige Gewerkschaft <strong>und</strong> wer sind ihre Führer? In:„Alpinepost“ (1.3.1929) S. 12–<br />

14.<br />

436 Im Krieg quälten <strong>und</strong> drangsalierten die k. u. k. Offiziere die Arbeiter – jetzt sollen das die Heimwehrmacher<br />

besorgen. In: Betriebszeitung für die Hütte Donawitz (1.12.1928) S. 1; siehe auch:<br />

Ano nym, Nicht vergessen! Immer daran denken! In: Stefan Riesenfellner (Hrsg.), Zeitgeschichten.<br />

Autobiographien zur Alltags- <strong>und</strong> Sozialgeschichte Österreichs 1914–1938, Arbeiterleben Bd.2<br />

(Graz 1992) S. 9–11.<br />

437 Achtung auf Provokateure <strong>und</strong> Spitzel! In: Alpinepost (22.3.1929) S. 12; Donawitzer Arbeiter! In:<br />

Alpinepost (8.3.1929) S. 9; Dieb <strong>und</strong> Heimatschützler aber Alpineliebling. In: Die Neue Alpinepost<br />

(19.4.1929) S. 16.; Hwaletz, Bergmann, S. 21–45.<br />

438 Der Brief einer Blutorange. In: „Alpinepost“ (17.1.1930) S. 7.

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