Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
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Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) ein Mandat von 15,<br />
bei den Donawitzer Betriebsratswahlen im Juni 1933 waren es bereits 11 von 15<br />
Betriebsratsmandaten. Auch im Krieglacher Eisenwerk, einem weiteren Alpine-<br />
Betrieb, gewann die nationalsozialistische Liste zwei von sechs Mandaten. 880<br />
• Im Bestreben breitere Schichten, vor allem die Jugend, für sich zu mobilisieren,<br />
präsentierte sich die NSDAP als die scheinbar moderne Alternative zu den<br />
dekadenten „Systemparteien“. Die große Stärke der NS-Strategen war ihr Sinn<br />
für das Populistische, Augenscheinliche, Oberflächliche. Dementsprechend versprühte<br />
das Parteiorgan „Der Kampf“ so etwas wie unbekümmerten Optimismus.<br />
Zudem entbehrte der forsche Ton der Berichterstattung, die mit cleveren<br />
Wortspielen operierte, nicht eines gewissen Galgenhumors. Der „Kampf“ ätzte<br />
über den politischen Gegner, pries hingegen die Vorzüge der neuen nationalen<br />
<strong>und</strong> sozialen Bewegung <strong>und</strong> malte die hoffnungsfrohe Zukunft der deutschen<br />
Volksgemeinschaft unter Adolf Hitler in den schönsten Farben aus. In welchem<br />
Maß ideologische Verwirrung gestiftet wurde, zeigt der Fall des Parteiredners<br />
Auer aus Graz, der den „parteisatten“ Sozialdemokraten gegenüber behauptete,<br />
dass sich die NSDAP von selbst auflösen werde, sobald die nationalsozialistische<br />
Idee Inbegriff aller Staatsbürger geworden ist. 881 Die Wahlergebnisse der NSDAP<br />
bei den Gemeinderatswahlen im April 1932 ergeben dennoch ein differenziertes<br />
Bild in der obersteirischen Industrieregion. Während der Anteil der für die<br />
NSDAP abgegebenen Stimmen in den sozialistischen Hochburgen Donawitz <strong>und</strong><br />
Bruck an der Mur nur zwischen acht <strong>und</strong> zehn Prozent der Stimmen lag, betrug er<br />
in den Gemeinden Leoben, Judenburg <strong>und</strong> Trofaiach zwischen 18 <strong>und</strong> knapp 25<br />
Prozent. 882 Laut Hänisch bestand die stärkste parteipolitische Herkunftsgruppe<br />
der NSDAP-Wählerschaft in der Steiermark aus ehemaligen Wählern <strong>und</strong> Wählerinnen<br />
des sozialdemokratischen Lagers mit einem überraschend hohen Anteil<br />
von 35 Prozent. 883 In dem Siegestaumel nach Hitlers Machtantritt bis etwa Ende<br />
Mai 1933 soll sich die Zahl der steirischen NSDAP-Mitglieder auf knapp 10.000<br />
beinahe verdoppelt haben, während der gesamtösterreichische Zuwachs im gleichen<br />
Zeitraum etwa 60 Prozent erreichte. 884<br />
• Parallel zum Aufbau eines flächendeckenden Parteiapparates in der Steiermark<br />
formierte sich die SA (Sturmabteilung) als weitaus wichtigste Kampftruppe der<br />
NSDAP, die ursprünglich als Versammlungsschutz <strong>und</strong> als Symbol der militanten<br />
Stärke diente. Wie bereits in einem früheren Abschnitt erwähnt, wurden<br />
die Strukturen der SA-Steiermark ab Jänner 1932 optimiert. Die existierenden<br />
Sturmbanne wurden in zwei Standarten eingeteilt: Standarte 27 umfasste Graz<br />
880 Erfolg bei der Betriebsratswahl in Kapfenberg. In: Der Kampf (31.10.1931) S. 4; R<strong>und</strong> um die Arbeitsstätten.<br />
Donawitz; Und wieder Siege! Eisenwerk Krieglach. In: Der Kampf (17.6.1933) S. 4.<br />
881 Der Kampf um das rote Bruck. In: Der Kampf (16.5.1931) S. 5.<br />
882 Siehe Tabellen 10 <strong>und</strong> 11 im Abschnitt 4.<br />
883 Dirk Hänisch, Die österreichischen NSDAP-Wähler. Eine empirische Analyse ihrer politischen<br />
Herkunft <strong>und</strong> ihres Sozialprofils (=Böhlaus Zeitgeschichtliche Bibliothek 35, Wien/Köln/Weimar<br />
1998) S. 221–224.<br />
884 Pauley, Hahnenschwanz, S. 164.<br />
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