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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Monarchisten, die sich mit den Gr<strong>und</strong>sätzen der Christlichsozialen Partei identifizieren.<br />

Diese gesellschaftliche Kluft wird auch durch die außenpolitischen Interessen<br />

einiger Nachbarländer noch vertieft. Österreich ist eingekeilt zwischen zwei Polen:<br />

Im Süden liegt das faschistische Italien, im Norden die demokratische Tschechoslowakei<br />

– diese Staaten „beliefern“ die ihnen genehmen politischen Bewegungen mit<br />

Waffen <strong>und</strong> anderen Sachleistungen. Auch die Industriellen bauen ihre Betriebe mit<br />

Hilfe der Heimwehren zu antimarxistischen Bollwerken aus.<br />

In einer zweiten Phase verschärft sich der innenpolitische Konflikt mit dem<br />

Einsetzen der Wirtschaftskrise. Die Angst um den Arbeitsplatz <strong>und</strong> die eventuell<br />

vorhandene Wohnmöglichkeit macht sozialdemokratisch <strong>und</strong> kommunistisch<br />

gesinnte Arbeitnehmer zu Opfern der Heimatschutzpolitik in den Betrieben der<br />

ÖAMG. Zu Nutznießern dieser Politik werden jene als „politisch unbedenklich“<br />

eingestuften Menschen, die bei der Vergabe von Arbeitsplätzen oftmals bevorzugt<br />

werden. Auch das ständig wachsende Heer der Arbeitslosen bildet einen Unruheherd.<br />

Bei den wöchentlichen Meldungen <strong>und</strong> Auszahlungen beim Leobener<br />

Arbeitsamt, zu dem h<strong>und</strong>erte Arbeitslose auch aus Donawitz herbeiströmen,<br />

kommt es nicht selten zu Ausschreitungen. Der Bezirkshauptmann überlegt,<br />

in Donawitz eine Außenstelle einzurichten, um den Zustrom Arbeitsloser nach<br />

Leoben einzudämmen. Als im Jahr 1932 die letzten Hochöfen niedergeblasen<br />

werden <strong>und</strong> der Gemeinde Donawitz das Geld ausgeht, bleibt den Ärmsten oft<br />

nur noch H<strong>und</strong>e- <strong>und</strong> Katzenfleisch. Viele Arbeitslose, meist ledige Männer wie<br />

Franz Schick, treibt es fort von daheim – sie gehen auf die Walz <strong>und</strong> führen ein<br />

Vagab<strong>und</strong>enleben.<br />

In einer dritten Phase ab etwa 1932 eskaliert die Situation, als die Nationalsozialisten<br />

immer mehr politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Druck ausüben. Ihre Propagandamaschinerie<br />

läuft auch auf Gr<strong>und</strong> der Mitarbeit vieler jugendlicher Idealisten wie<br />

geschmiert. Nach dem Verbot diverser politischer Organisationen 1933 nimmt der<br />

Terror überhand <strong>und</strong> der öffentliche Raum wird zum gefährlichen Aufenthaltsort. In<br />

der obersteirischen Indus trieregion sind politische Gegner, besonders „regierungstreue“<br />

Amtspersonen, kirchliche Würdenträger sowie jüdische Geschäftsleute bevorzugte<br />

Opfer nicht nur der Nazis. Den Staat versuchen Aktivisten zu schädigen, indem<br />

sie öffentliche Einrichtungen wie Eisenbahnschienen, Strom- <strong>und</strong> Telefonleitungen<br />

sprengen. Gleichzeitig läuft die Verbreitung von NS-Propaganda auf Hochtouren.<br />

Konfidenten berichten von subversiven Netzwerken, die im südlichen Grenzraum<br />

Marburg (Maribor) <strong>und</strong> Unterdrauburg (Dravograd) operieren <strong>und</strong> von dort aus<br />

auch den obersteirischen Raum versorgen. Die westlichen Siegermächte schauen zwar<br />

besorgt nach Österreich <strong>und</strong> geben diplomatische Erklärungen hinsichtlich seiner<br />

Souveränität ab, beabsichtigen aber, im Ernstfall nicht einzuschreiten. Im Juli 1934<br />

lässt Mussolini Truppen auf dem Brenner aufmarschieren, um der Welt zu zeigen,<br />

wo die Grenzen Hitler-Deutschlands liegen. 924<br />

924 P.A. Reynolds, British Foreign Policy in the Inter-War Years (London 1954) S. 102; 130–131.

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