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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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den sich nur spärliche Hinweise, vorwiegend in Verbindung mit Anschlägen der<br />

NSDAP <strong>und</strong>/oder anderer politischer Gegner auf katholische Vereinsheime <strong>und</strong><br />

Einrichtungen der Kirche. 375 In einem von einer sozialdemokratischen Industriearbeiterschaft<br />

dominierten Umfeld war die Gefolgschaft der CSP häufig stark<br />

exponiert, weil sie durch ihr öffentliches Bekenntnis zum Katholizismus gegen den<br />

weltanschaulichen Strom schwamm <strong>und</strong> dabei in einen scharfen ideologischen<br />

Gegensatz zur Sozialdemokratie geriet. Und auch demokratiepolitisch steuerten die<br />

obersteirischen Christlichsozialen einen bedenklichen Kurs, als sie die Ausschaltung<br />

des Parlaments am 15. März 1933 als „eine große nationale Tat“ begrüßten<br />

<strong>und</strong> die Regierung Dollfuß „im Namen der gesamten Bevölkerung von Leoben-<br />

Donawitz“ in einer Resolution bat, den „eingeschlagenen Weg“ fortzusetzen. 376<br />

Zusätzlich trug die Unterstützung der Heimwehrbewegung durch prominente<br />

christlichsoziale Politiker wie Seipel <strong>und</strong> Rintelen zur Polarisierung der klerikalen<br />

<strong>und</strong> antiklerikalen Parteien bei. Von Anfang an spielten römisch-katholische<br />

Priester eine zweifelhafte Rolle bei der Legitimierung kultischer Handlungen im<br />

Rahmen von Heimwehrfeiern: Die religiöse Verbrämung von Wimpelweihen <strong>und</strong><br />

Heldenehrungen verwischte die Grenzen zwischen christlichsozialer, nationaler<br />

<strong>und</strong> faschistischer Gesinnung: Der sonntägliche Aufmarsch der Antimarxisten<br />

geriet so zum Kreuzzug gegen die „Antichristen“. Mit dem Erstarken der Heimwehren<br />

nach dem Justizpalastbrand im Juli 1927 zerbröckelte das einst so stolze<br />

Gebäude der „Lueger-Partei“ innerlich. Das Ende der Christlichsozialen Partei<br />

wurde de facto durch die Schaffung der VF im Mai 1933 sowie durch den Rückzug<br />

der Kirche aus der Politik, der einen personellen Aderlass zur Folge hatte,<br />

eingeläutet. Der christlichsoziale Kanzler Dollfuß hatte seine eigene Partei auf<br />

dem Altar einer „höheren Staatsidee“, des Ständestaates, geopfert. Am 14. Mai<br />

1934 verkündete die CSP ihre Selbstauflösung <strong>und</strong> Überführung in die VF. Ihr<br />

Ende wurde am 28. September 1934 offiziell besiegelt, als die B<strong>und</strong>esparteileitung<br />

bekannt gab, die CSP sei angesichts der gr<strong>und</strong>legenden Veränderungen nicht mehr<br />

in der Lage in das politische Geschehen einzugreifen. Nun beende sie ihre Tätigkeit<br />

in dem Bewusstsein, eine historische Aufgabe erfüllt zu haben. 377<br />

Wien 2008) S. 29–40: http://textfeld.ac.at/text/1355/, 18.12.2009. Gr<strong>und</strong>legend zur steirischen<br />

Presse: Nora Aschacher, Die Presse der Steiermark von 1918 bis 31. Juli 1955 (Diss., Wien 1972),<br />

Kurzzitat: Aschacher, Presse.<br />

375 Beispielsweise in Eisenerz <strong>und</strong> Kapfenberg, wo katholische Vereinsheime im Dezember 1933 durch<br />

Explosions- <strong>und</strong> Brandattentate schwer beschädigt wurden (StLA ZGS (BKA) K.83/10 (Fol.909;<br />

1182–1183).<br />

376 Eine große nationale Tat. In: Obersteirische Volkspresse (26.3.1933) S. 1: In der am 17.3.1933 gefassten,<br />

an BM <strong>und</strong> LH Rintelen gerichteten Entschließung erklärte die Christlichsozialen Arbeitsgemeinschaft<br />

Leoben, sie begrüße es einhellig, dass die Regierung nach Selbstausschaltung des<br />

ohnehin seit langem schon durch das demagogische Verhalten der Marxisten <strong>und</strong> ihrer Helfershelfer<br />

kaum mehr arbeitsfähigen Parlaments mit fester Hand längst erwartete Reformen zugunsten von<br />

Volk, Staat <strong>und</strong> Wirtschaft durchführt.<br />

377 Kriechbaumer, „Dieses Österreich retten …“, S. 465–478.<br />

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