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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Nach dem Justizpalastbrand am 15. Juli 1927 <strong>und</strong> der Niederschlagung der sozialdemokratischen<br />

Streikbewegung gewannen die Heimwehren in Österreich die<br />

Oberhand <strong>und</strong> erhielten immer stärkeren Zulauf. In der Steiermark gelang es dem<br />

Judenburger Rechtsanwalt Walter Pfrimer 86 die sozialdemokratischen Streikführer<br />

durch Androhung von Brachialgewalt einzuschüchtern. Nun wurde er von seiner<br />

Gefolgschaft als der Held gefeiert, der dem sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten,<br />

Koloman Wallisch 87 , Paroli geboten hatte. Als es der Heimwehrführung im<br />

Jahr 1929 trotz der Unterstützung in- <strong>und</strong> ausländischer Geldgeber weder gelang,<br />

die Regierung zu stürzen, noch ihre lautstarken Forderungen nach einer autoritären<br />

Verfassung durchzusetzen <strong>und</strong> Mussolini ungeduldig auf den von ihm vorfinanzierten<br />

Staatsstreich pochte, drohte sie offen mit einem „Marsch auf Wien“.<br />

Die Durchführung der „entscheidenden Aktion zur Änderung der österreichischen<br />

Staatsverfassung“, die von der Heimwehrführung spätestens zwischen Februar <strong>und</strong><br />

März 1930 versprochen worden war, kam jedoch nicht zustande. 88 Auch ein für den<br />

Herbst 1930 von Pfrimer geplanter Putsch wurde im Ansatz erstickt. 89 Nach dem<br />

bescheidenen Wahlerfolg des Heimatblocks bei den Nationalratswahlen 1930 <strong>und</strong><br />

dem gescheiterten Staatsstreich Pfrimers im September 1931 ging es mit der Heimwehr<br />

bergab. Außen- <strong>und</strong> innenpolitischer Druck sowie Uneinigkeit auf der Führungsebene<br />

spalteten die Bewegung. Walter Pfrimer, der freiwillig aus dem von ihm<br />

aufgebauten Steirischen Heimatschutz im Mai 1932 ausschied <strong>und</strong> sich Adolf Hitler<br />

unterstellte, wurde von manch empörtem Kameraden mit einer Ratte verglichen,<br />

die das sinkende Schiff verlässt. 90 Im April 1933 schließlich schloss der Steirische<br />

Heimatschutz unter der Führung Konstantin Kammerhofers ein Kampfbündnis mit<br />

der NSDAP <strong>und</strong> wurde bald darauf, am 19. Juni 1933, zusammen mit der NSDAP<br />

verboten. Die übrigen Heimwehren wurden als „Österreichischer Heimatschutz“<br />

unter Ernst Rüdiger Starhemberg zusammengefasst <strong>und</strong> am 10. Oktober 1936 endgültig<br />

aufgelöst. 91 Die Privatarmeen sind nicht nur als Auswüchse einer zutiefst<br />

gespaltenen Gesellschaft zu begreifen, sondern auch als Schwäche der staatlichen<br />

Souveränität zu sehen, die Österreich mit der Limitierung der Heeresstärke durch<br />

den Staatsvertrag von St. Germain in die Wiege gelegt wurde.<br />

86 Dr. Walter Pfrimer: geboren 1881 als Sohn eines Weinhändlers in Marburg an der Drau (Maribor);<br />

gestorben 1968 in Judenburg.<br />

87 Koloman Wallisch: geboren 1889 in Lugosch (Lugoj); am 19.2.1934 in Leoben hingerichtet.<br />

88 Lajos Kerekes, Abenddämmerung einer Demokratie. Mussolini, Gömbös <strong>und</strong> die Heimwehr<br />

(Wien 1966), Kurzzitat: Kerekes, Abenddämmerung, S. 41.<br />

89 Franz Winkler, Die Diktatur in Österreich (=Weltmachtprobleme 6, Zürich 1935), Kurzzitat:<br />

Winkler, Diktatur, S. 33.<br />

90 StLA ZGS (BKA) K.79/6: LGK E. Nr.216 res.ad. (9.6.1932) „Bericht über die politische Lage im<br />

Lande Steiermark“. Hier heißt es wörtlich: (…) (Im Inspizierungsbereich Bezirke Liezen <strong>und</strong><br />

Gröbming) (…) (bröckelt) der Heimatschutz, der in den beiden Bezirken eine grosse Rolle spielte,<br />

allmählich ab. Ein Grossteil ist bereits zu den Nationalsozialisten übergegangen, der Rest scheint in<br />

der ganzen Bewegung irre geworden zu sein. Der Schritt Pfrimers wird als Verrat empf<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

schärfstens missbilligt. Man vergleicht ihn mit der Ratte, die das sinkende Schiff verliess.<br />

91 Wiltschegg, Volksbewegung, S. 97–98.

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