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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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180<br />

lich zu diesem Schritt bewogen haben. 580 Die ab dem 7. März 1933 sukzessiv erlassenen<br />

Verordnungen schränkten die von der Verfassung garantierten bürgerlichen<br />

Gr<strong>und</strong>rechte wie Presse- <strong>und</strong> Versammlungsfreiheiten wesentlich ein. 581 In erster<br />

Linie sollten jene Parteien aufgerieben werden, die als regierungsfeindlich galten:<br />

Nationalsozialisten, Sozialdemokraten <strong>und</strong> Kommunisten; de facto schuf Dollfuß<br />

damit eine weitere Frontstellung, indem er große Teile der Bevölkerung gegen sich<br />

<strong>und</strong> seine Regierung aufbrachte.<br />

Anknüpfend an die im vorangegangenen Abschnitt dargestellte parteipolitische<br />

Konstellation wird nun das Phänomen der Polarisierung der Bevölkerung dieser<br />

Region, das als Gradmesser für die Radikalisierung der politischen Kultur gelten<br />

kann, beleuchtet. Zur Palette der exemplarisch dargestellten politisch motivierten<br />

Zusammenstöße gehören <strong>Gewalt</strong>taten, die bei Versammlungen, Aufmärschen <strong>und</strong><br />

an anderen öffentlichen Orten von Gruppen oder Einzelpersonen verübt wurden,<br />

aber auch bestimmte Ereignisse um den so genannten Pfrimer-Putsch <strong>und</strong> die Aufstandsbewegungen<br />

des Jahres 1934. Jene Fallbeispiele können stellvertretend für die<br />

Summe der Brutalität gesehen werden, die das Land Steiermark <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

ganz Österreich in Angst <strong>und</strong> Schrecken versetzte. 582 Die Radikalisierung des politischen<br />

Klimas zwischen 1927 <strong>und</strong> 1934 in der obersteirischen Industrieregion lässt<br />

sich anhand von Behörden-, Zeitungsberichten <strong>und</strong> anderen Quellen 583 in mehreren<br />

Phasen festmachen:<br />

• Die Eskalation der <strong>Gewalt</strong> im „Kampf um die Straße“: In einer ersten Phase kommt<br />

es bereits vor den Wiener Unruhen im Juli 1927 zu einem Aufschwung in der<br />

Entwicklung des Steirischen Heimatschutzes, die spätestens nach Aufhebung des<br />

von der Regierung verhängten Aufmarschverbotes Ende September 1927 eine<br />

wesentliche Dynamisierung erfährt. Der Steirische Heimatschutz tritt mit dem<br />

Anspruch auf, die von der Sozialdemokratie bisher behauptete Suprematie der<br />

Straße brechen zu wollen, was zu einer Aufheizung der ohnehin vorhandenen<br />

Ressentiments führt. Als zusätzliche Provokation wird der im Herbst 1928 veranstaltete<br />

Aufmarsch der Heimwehr in der sozialdemokratischen Hochburg Wiener<br />

Neustadt empf<strong>und</strong>en. Gleichzeitig erhöht die ÖAMG Druck auf die organisierte<br />

Arbeiterschaft mit Hilfe des von ihr subventionierten militarisierten Verbandes<br />

<strong>und</strong> dessen neu gegründeten Gewerkschaft, was eine ungeheure Verschärfung<br />

580 Roman Sandgruber, Ökonomische Krise <strong>und</strong> Delegitimierung der Demokratie. In: Günther<br />

Schefbeck (Hrsg.), Österreich 1934. Vorgeschichte – Ereignisse – Wirkungen (Wien 2004), Kurzzitat:<br />

Schefbeck, Österreich 1934, S. 52–59.<br />

581 Wolfgang Duchkowitsch, Umgang mit „Schädlingen“ <strong>und</strong> „schädlichen Auswüchsen“. Zur Auslöschung<br />

der freien Medienstruktur im „Ständestaat“. In: Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer<br />

(Hrsg.), Austrofaschismus. Politik-Ökonomie-Kultur 1933–1938 (=Politik <strong>und</strong> Zeitgeschichte<br />

1, Wien 2005) S. 358–364; Emmerich Tálos, Walter Manoschek, Zum Konstituierungsprozeß<br />

des Austrofaschismus. In: Ebda, S. 6–25.<br />

582 Botz, <strong>Gewalt</strong>, S. 253: Für den Zeitraum 1918 bis 1934 errechnete Botz eine Gesamtzahl von 217<br />

Toten <strong>und</strong> 642 schwerverletzten Opfern innerpolitischer <strong>Gewalt</strong>anwendung in Österreich.<br />

583 Darunter sind die Chroniken der Bezirksgendarmeriekommanden (BGK), Aussagen von Zeitzeugen<br />

<strong>und</strong> die Korrespondenz des deutschen Konsuls in Graz zu nennen.

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