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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Der fulminante Aufstieg der Heimwehrbewegung, der bis etwa Mitte 1929 andauerte,<br />

muss freilich vor dem Hintergr<strong>und</strong> der in- <strong>und</strong> ausländischen Geldgeber <strong>und</strong><br />

deren Interessen gesehen werden. Solange Ungarn <strong>und</strong> Italien hoffen durften, die<br />

Heimwehren für ihre außenpolitischen Ziele nutzbar machen zu können, sprudelten<br />

auch die Geldquellen <strong>und</strong> Sachspenden. 390 Kooperationen dieser Nachbarn mit<br />

Kanzlern wie Schober oder Dollfuß engten den Aktionsradius der Heimwehren<br />

naturgemäß ein. 391 Im Frühjahr 1928 hatten die höchsten Vertretern Ungarns, Bethlen<br />

<strong>und</strong> Gömbös, in Absprache mit Mussolini vereinbart, dass die Heimwehr mit<br />

großzügigen finanziellen Mitteln <strong>und</strong> Waffen unterstützt werden sollte. Langfristig<br />

planten sie, Österreich zu einem gegen die von Frankreich protegierten Länder der<br />

„Kleinen Entente“ gerichteten faschistischen Bollwerk zwischen Italien <strong>und</strong> Ungarn<br />

auszubauen. Zu diesem Zweck sollte die Heimwehr im Zuge eines von der Gegenseite<br />

„provozierten“ Staatsstreiches die Macht in Österreich übernehmen. Anlässlich<br />

eines im Oktober 1928 organisierten Massenaufmarsches beider Wehrverbände in<br />

der sozialdemokratischen Hochburg Wiener Neustadt hoffte die Heimwehrführung<br />

auf eine Gelegenheit, bei einem Zusammenstoß mit dem Schutzb<strong>und</strong> vollendete<br />

Tatsachen zu schaffen. Aufgr<strong>und</strong> von verschärften Sicherheitsmaßnahmen verlief<br />

der Tag jedoch ohne besondere Vorkommnisse. Während die Heimwehr in Wiener<br />

Neustadt aber „das Recht auf die Straße“ erkämpft hatte, war der Sozialdemokratie<br />

erneut ein Schlag versetzt worden. Rückendeckung erhielt die Heimwehrorganisation<br />

vom B<strong>und</strong>eskanzler Seipel, der mit dem Heimwehr-Trumpf im Ärmel gleichzeitig<br />

die Staatsautorität wahren <strong>und</strong> die sozialdemokratische Macht schwächen wollte.<br />

Italien <strong>und</strong> Ungarn forderten jedoch konkrete Ergebnisse <strong>und</strong> drängten auf einen<br />

gewaltsamen Heimwehrputsch <strong>und</strong> die Ausschaltung der Sozialdemokratie. 392<br />

Den inländischen Geldgebern 393 war die Übereinstimmung mit den antimarxistischen<br />

Parteien von primärer Bedeutung, wobei die Heimwehr als „eine große überparteiliche<br />

<strong>und</strong> eigentlich unpolitische Organisation“ unterstützend zur Verfügung<br />

stehen sollte. Mit dem Eintritt der Heimwehr in die Politik ab Oktober 1930 kam es<br />

dann zu entsprechenden Spannungen. 394 Die Autorin von „Heisses Eisen“, Barbara<br />

Schleicher, errechnete, dass Pfrimers Truppe ab 1929 ein monatliches Einkommen<br />

von 20.000 Schilling vom Industriellenverband erhielt, wobei die ÖAMG den Löwenanteil<br />

aufbrachte. Überdies soll die ÖAMG sämtliche Reise- <strong>und</strong> Transportkosten<br />

zu den Aufmarschorten sowie die Druckkosten für das Heimatschutzblatt „Der<br />

390 Detailliert dargestellt von: Lajos Kerekes, Abenddämmerung einer Demokratie. Mussolini,<br />

Gömbös <strong>und</strong> die Heimwehr (Wien 1966), Kurzzitat: Kerekes, Abenddämmerung.<br />

391 Reinhart Kondert, Schober <strong>und</strong> die Heimwehr. Der Niedergang des Austrofaschismus 1929–1930.<br />

In: Zeitgeschichte 3 (1975) 163–175: Kondert gibt an, sowohl Mussolini als auch der Industriellenverband<br />

hätten die Unterstützungen auf Veranlassung Schobers Ende 1929, zumindest vorübergehend,<br />

eingestellt.<br />

392 Kerekes, Abenddämmerung, S. 9–31.<br />

393 Peter Berger, Ökonomische Macht <strong>und</strong> Politik. In: Tálos/Dachs, P.S. Ö., S. 405: Zu den einflussreichsten<br />

Geldgebern zählten der Verband der österreichischen Banken <strong>und</strong> Bankiers <strong>und</strong> der<br />

Hauptverband der Industrie Österreichs.<br />

394 Gerald Sturmayr, Industrielle Interessenverbände: Ringen um Einheit. In: Tálos/Dachs, P.S.Ö,<br />

S. 348–349.<br />

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