Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Rückblickend kann festgestellt werden, dass die gesamte österreichische Wirtschaftspolitik<br />
durch die Bestimmungen des Völkerb<strong>und</strong>es in den so genannten<br />
Genfer Protokollen auf Jahre hinaus in relativ restriktive finanzpolitische Bahnen<br />
gelenkt wurde, die wenig Freiraum für Investitionsprogramme erlaubten <strong>und</strong> einen<br />
rigorosen Sparkurs zugunsten der Währungsstabilität zur Folge hatten. Nur ein<br />
verschwindend geringer Teil des Budgets wurde für arbeitspolitische Maßnahmen<br />
eingeplant. 72 Die Sozialdemokraten befürchteten einen Abbau der Sozialgesetzgebung<br />
durch die bürgerlichen Regierungen, was zu einer Verschärfung des politischen<br />
Klimas führte. Eine Reihe von Bankeninsolvenzen <strong>und</strong> Zusammenlegungen<br />
ab 1924, die im Zusammenbruch der Creditanstalt im Mai 1931 gipfelte, tat das<br />
Ihrige dazu. Der Untergang der Creditanstalt, die r<strong>und</strong> 42 Prozent des Aktienkapitals<br />
aller österreichischen Industrieunternehmungen verwaltete, riss nicht nur die<br />
österreichische Wirtschaft sondern auch die sorgsam kultivierte Währungsstabilität<br />
in die Tiefe. 73 Als infolge der Wirtschaftskrise Industriegemeinden, wie Steyr,<br />
Donawitz <strong>und</strong> Bruck an der Mur, in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, traf es die<br />
Armen, die auf Unterstützungen der Gemeinde angewiesen waren, am meisten. 74<br />
Neue Geldquellen, wie die Trefferanleihe 1933, mussten erschlossen werden, um die<br />
leeren Staatskassen zu füllen. 75<br />
1.6.1 Steiermark<br />
Nach der Bewältigung der unmittelbaren Kriegsfolgen kam es im Zuge der Inflation<br />
zur Übernahme einer Reihe prominenter steirischer Industrieunternehmen wie<br />
der ÖAMG, der Puchwerke, Leykam-Josefsthaler <strong>und</strong> der Veitscher Magnesitwerke<br />
durch ausländische Käufer, die sich nun verstärkt auf dem Weltmarkt zu behaupten<br />
versuchten. Die vor dem finanziellen Ruin stehende Fürstenfelder Tabakregie war im<br />
Rahmen der Genfer Sanierung gepfändet worden <strong>und</strong> h<strong>und</strong>erte Mitarbeiter waren<br />
entlassen worden. Nach der Inflationsperiode führten längst notwendige Aufbauarbeiten,<br />
die zum Teil aus Mitteln der Genfer Anleihe, zum Teil aus einer Dollaranleihe<br />
vom Jahr 1926 finanziert wurden, vor allem im Bereich der Wasserkraft, der Infrastruktur<br />
<strong>und</strong> des Tourismus, zu einer starken Belebung der steirischen Wirtschaft.<br />
72 Butschek, Wirtschaft, S. 217.<br />
73 Karl Ausch, Als die Banken fielen. Zur Soziologie der politischen Korruption (Wien 1968), Kurzzitat:<br />
Ausch, Banken, S. 322f.<br />
74 Donawitz musste auf Gr<strong>und</strong> stark sinkender Steuereinnahmen <strong>und</strong> des rasant steigenden Bedarfes<br />
an Mittel für die Armenfürsorge im Jahr 1934 Konkurs anmelden. Die Gemeindekasse wies bis<br />
Mai 1933 einen Gesamtschuldenstand von r<strong>und</strong> S 86.000 auf. In einem Schreiben an die Steiermärkische<br />
Landesregierung Anfang 1934 richtete die Bezirksvertretung Leoben einen dringenden<br />
Appell an die B<strong>und</strong>esregierung, eine sofortige Umschuldungsaktion der Gemeinden „als Keimzellen<br />
des Staates“ einzuleiten. Siehe: StLA BV Leoben K:97; Konkurs über Donawitz. Der Leidensweg<br />
einer Industriegemeinde. In: Österreichische Gemeinde-Zeitung. Offizielle Zeitschrift des<br />
„Deutschösterreichischen Städteb<strong>und</strong>es (1.6.1933), Kurzzitat: ÖGZ, S. 2–4; Der erfolglose Kampf<br />
der Gemeindeverwaltung von Steyr. In: Ebda (15.11.1932) S. 12–14.<br />
75 Dieter Stiefel, Die grosse Krise in einem kleinen Land. Österreichische Finanz- <strong>und</strong> Wirtschaftspolitik<br />
1929–1938 (=Studien zu Politik <strong>und</strong> Verwaltung 26, Wien/Köln/Graz 1988) S. 104–119.<br />
37