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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Kommunismus müsse künftig eine schärfere Grenze zur sozialdemokratischen<br />

Politik ziehen <strong>und</strong> sich auf seine programmatischen Ziele besinnen. 317<br />

• Beide Zeitungen ähneln sich inhaltlich stark. Politische Hauptthemen sind unter<br />

anderem die Ungerechtigkeit <strong>und</strong> Unmenschlichkeit des kapitalistischen Systems,<br />

die Verb<strong>und</strong>enheit mit Sowjetrussland, die Notwendigkeit des Klassenkampfes<br />

für die Arbeiterschaft <strong>und</strong> deren Beitritt zur KPÖ. Die Berichterstattung greift<br />

Themen r<strong>und</strong> um das Leben im Betrieb auf: Ausbeutung der Arbeiter durch<br />

die „Alpine-Bonzen“, Entlassungen, Betriebssicherheit/Arbeitsunfälle, Lohnerhöhungen,<br />

„Verrat“ der sozialdemokratischen Betriebsräte, etc. Der Redakteur<br />

nimmt sich kein Blatt vor den M<strong>und</strong>, wenn es darum geht, Missstände in<br />

den Betrieben aufzuzeigen <strong>und</strong> Betriebschefs, Werksangehörige oder Menschen<br />

anderer Gesinnung namentlich an den Pranger zu stellen. In einer Ausgabe des<br />

„Alpinen Sklaven“ werden tödliche Betriebsunfälle als Teil eines perfiden Systems<br />

geortet, in dem das Leben eines Arbeiters billiger sei als die Anschaffung einer<br />

Schutzvorrichtung. Schlussendlich sollten diese „Rationalisierungsmaßnahmen“<br />

genauso wie seinerzeit das Verheizen der Soldaten in den Schützengräben<br />

den Dividenden der Kapitalisten dienen: Wurden die Soldaten in den Tod fürs<br />

Vaterland gejagt durch Zwang, <strong>Gewalt</strong> (…), so werden die alpinen Sklaven in den<br />

Tod gejagt mit der Akkordpeitsche, der Hungerpeitsche, durch die Furcht vor der<br />

Arbeitslosigkeit. Am schlimmsten sei es, resümiert das Blatt, dass dieselbe Alpine,<br />

die bei Sicherheitsmaßnahmen <strong>und</strong> Lohnkosten knausere, großzügige Summen<br />

für die „Erziehung der Arbeiter im werksgemeinschaftlichen Geist“ 318 ausgebe,<br />

317 Der auf Microfiches kopierte Bestand kann in der Mediathek der Grazer Karl-Franzens-Universität<br />

gesichtet werden.<br />

318 Die DINTA –Unternehmensphilosophie (=Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung)<br />

basierte auf einer Mischung aus Leistungsdruck, Manipulation <strong>und</strong> Fürsorge. In speziellen Werkschulen<br />

wurden Arbeiter sowohl fachlich geschult als auch im Sinne der Werksgemeinschaft systematisch<br />

„erzogen“. Die Ausgabe von Werkszeitungen sollte ebenfalls propagandistisch auf die<br />

Belegschaft einwirken. Den Industriearbeiter plante man aus seiner isolierten Teilfunktion in den<br />

gesamten Arbeitsprozess wiedereinzuführen <strong>und</strong> in seiner Gesamtpersönlichkeit zu erfassen.<br />

Gleichzeitig sollte die entstandene Kluft zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> Arbeitnehmer durch Einsicht<br />

der Notwendigkeit einer betrieblichen Gemeinschaft zum Wohl aller Beteiligten überw<strong>und</strong>en<br />

werden. Diese „Erziehung“ erstreckte sich ebenso auf das Freizeitverhalten, auf die körperliche<br />

Ertüchtigung der Arbeiter <strong>und</strong> die häusliche Ordnung unter Einbeziehung der Frau <strong>und</strong> Mutter<br />

sowie auf die Erziehung der Kinder zum Gemeinschaftsgedanken. Das 1927 in „Österreichischer<br />

Verein für technische Arbeitsschulung“ unbenannte Institut betreute die steirischen Werkschulen<br />

der Alpine in Fohnsdorf, Zeltweg, Donawitz, Eisenerz, Köflach, Mürzuschlag <strong>und</strong> Kapfenberg<br />

sowie die Kindergärten in Fohnsdorf, Donawitz, Seegraben, Eisenerz <strong>und</strong> Hönigsberg. Siehe:<br />

Otto Hwaletz, Helmut Lackner, Josef Mayer u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als<br />

Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente <strong>und</strong> Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />

in der Zwischenkriegszeit (Graz 1984), Kurzzitat: Hwaletz, Bergmann, S. 18–40;<br />

Ewald Weinhandel, Der Kampf um die Unternehmerkontrolle in der Zwischenkriegszeit am<br />

Beispiel der Werksgemeinschaftsideologie, des DINTA-Systems <strong>und</strong> der Betriebspolitik der Österreichisch-Alpinen<br />

Montangesellschaft (Dipl. Arb., Graz 1990); Christian Novak, Rationalisierung<br />

<strong>und</strong> Arbeiterschaft in Österreich von 1918 bis 1934 (Der Kapitalismus als Strategie) (Dipl.<br />

Arb., Graz 1985) S. 60–69; sehr ausführlich: Schleicher, Heisses Eisen S. 197–313; zur offiziösen<br />

Darstellung der ÖAMG: Fritz Erben, Die fachliche Ausbildung der Arbeiter. In: Die Österreichisch-Alpine<br />

Montangesellschaft 1881–1931 (Wien 1931) S. 195–209.

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