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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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Deutschland im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet werden. Auf regionaler<br />

Ebene haben mehrere Studien zur Erhellung der Entwicklung der nationalsozialistischen<br />

Bewegung, insbesondere in der Steiermark, in Graz <strong>und</strong> in der obersteirischen<br />

Industrieregion, beigetragen. 460 In seiner prof<strong>und</strong>en Darstellung weist der<br />

amerikanische Historiker Pauley darauf hin, dass weder der nationale Sozialismus<br />

noch der deutsche Nationalsozialismus Erfindungen der Zeit nach 1918 waren, sondern<br />

dass jene Bewegungen im letzten Viertel des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurzeln <strong>und</strong> in<br />

einer organisatorischen sowie personellen Kontinuität zu sehen sind. Die frühen<br />

nationalsozialistischen Gruppierungen fanden in breiten Bevölkerungsschichten<br />

zunächst wenig Anklang <strong>und</strong> blieben jahrelang stets Minderheitenparteien. Auch<br />

die radikal antisemitische Alldeutschen-Bewegung des Georg Schönerer, die den<br />

Keim des späteren Unheils in sich trug, konnte lediglich in bestimmten extremen<br />

deutschnationalen Milieus reüssieren. Die 1903 in der nordböhmischen Stadt Aussig<br />

an der Elbe (Ústí nad Labem) gegründete Deutsche Arbeiterpartei (DAP) gilt als<br />

eigentlicher Anfang <strong>und</strong> Vorläufer der nationalsozialistischen Bewegung in Österreich.<br />

461 In Abgrenzung zum Internationalismus der Sozialdemokratie verstand<br />

sich die „vorfaschistische“ DAP als eine betont deutschnationale Arbeiterpartei, die<br />

sich für die arbeitsrechtlichen Interessen der deutschsprachigen Arbeiter in jenen<br />

Bezirken einsetzte, wo die von den „deutschvölkischen“ Gewerkschaften erkämpften<br />

Löhne <strong>und</strong> sonstigen Arbeitsbedingungen durch die Billigarbeit tschechischer<br />

Zuwanderer in Frage gestellt wurden. Dementsprechend lagen die Schwerpunkte<br />

der DAP in einigen deutschsprachigen Wahlbezirken Nordböhmens, Schlesiens <strong>und</strong><br />

Mährens, die eine erhöhte Zahl an tschechischen Einwanderern aufzuweisen hatten,<br />

aber auch in bestimmten Bezirken der Steiermark. 462 Erst vor dem Hintergr<strong>und</strong> der<br />

militärischen Niederlage des Ersten Weltkrieges, der vermeintlichen Bevorm<strong>und</strong>ung<br />

durch die Siegermächte, mangelnder demokratischer Tradition <strong>und</strong> schließlich der<br />

Auswirkungen der Wirtschaftskrise konnte die von Adolf Hitler geführte NSDAP<br />

in den 1930er Jahren in Österreich festen Fuß fassen. 463 In diesem Unterabschnitt<br />

soll auf die regionale Entwicklung des Nationalsozialismus, insbesondere der Ortsgruppen<br />

<strong>und</strong> deren Funktionäre sowie der Wahlbewegung eingegangen werden.<br />

Die Recherche zweier Parteizeitungen, die jeweils in den früheren 1920er Jahren<br />

<strong>und</strong> Anfang der 1930er Jahre erschienen, ermöglichte die Ermittlung eines reprä-<br />

460 Exemplarisch: Bruce Pauley, Der Weg in den Nationalsozialismus. Ursprünge <strong>und</strong> Entwicklung<br />

in Österreich (Wien 1988), Kurzzitat: Pauley, Weg; Francis L. Carsten, Faschismus in Österreich.<br />

Von Schönerer zu Hitler (München 1977), Kurzzitat: Carsten, Faschismus; Rudolf Brandstötter,<br />

Dr. Walter Riehl <strong>und</strong> die Geschichte der nationalsozialistischen Bewegung in Österreich<br />

(Diss., Wien 1969); Stefan Karner, Die Steiermark im Dritten Reich 1938–1945. Aspekte ihrer<br />

politischen, wirtschaftlich-sozialen <strong>und</strong> kulturellen Entwicklung (Graz/Wien 1986); Kurt Bauer,<br />

Struktur <strong>und</strong> Dynamik des illegalen Nationalsozialismus in der obersteirischen Industrieregion<br />

1933/1934 (Dipl. Arb., Wien 1998); Eduard G. Staudinger, Zur Entwicklung des Nationalsozialismus<br />

in Graz von seinen Anfängen bis 1938. In: Friedrich Bouvier u.a. (Red.), Graz 1938 (=Historisches<br />

Jahrbuch der Stadt Graz 18/19, Graz 1987), Kurzzitat: Staudinger, Entwicklung, 31–74.<br />

461 Pauley, Weg, S. 18–43.<br />

462 Staudinger, Entwicklung, S. 31–33.<br />

463 Pauley, Weg, S. 18–43.

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