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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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at Haun deshalb um Polizeischutz an seinem Wohnort, nicht zuletzt wegen des<br />

merkwürdigen Desinteresses der örtlichen Gendarmerie an der Ausforschung des<br />

Täters, die, wie ihm schien, in „dieser Sache“ nicht viel unternehmen wollte. 738 Es ist<br />

anzunehmen, dass Einzelpersonen in den Reihen der Exekutivkräfte entweder aus<br />

heimlicher Sympathie für den Nationalsozialismus oder aus Angst vor Racheakten<br />

bei der Entdeckung von Tatbeständen bewusst „wegschauten“. Immerhin hatten<br />

einige Beamte bereits im Oktober 1933 nationalsozialistische Drohbriefe bekommen,<br />

die je nach persönlichem Verhalten zukünftige Belohnungen oder Bestrafungen<br />

versprachen. In einem im Dezember 1933 an den Posten Neumarkt im Bezirk Murau<br />

verschickten Brief, der sich an die „nationalen Beamten der Sicherheitsbehörden“<br />

richtete, wurde jenen Beamten mit Vergeltung gedroht, die mit einem wahren Sadismus<br />

Jagd auf Nationalsozialisten machen – meist sind es Windische <strong>und</strong> Tschechen.<br />

(…) Die Abrechnung (wird) furchtbar sein. Wir werden jeden hängen, der einen von<br />

uns gemein behandelt. 739<br />

• Kapfenberg<br />

In der Böhler-Stadt verübten unbekannte Täter einen heimtückischen Anschlag<br />

auf das dortige katholische Vereinsheim. Sie bestrichen die Türklinke mit einer für<br />

einen Laien unsichtbaren brennbaren Substanz. Am 17. Dezember 1933 berichtete<br />

der „Arbeiterwille“, ein achtjähriger Bub habe einen Schock erlitten, als er die Klinke<br />

ergriff <strong>und</strong> seine Fäustlinge plötzlich zu brennen begannen. Das Kind warf die Fäustlinge<br />

weg <strong>und</strong> konnte sich so vor Verbrennungen bewahren. Ungefähr zur gleichen<br />

Zeit entdeckte ein anderer Bub eine Fackel, die mit einer ähnlichen Substanz gefüllt<br />

war. Als er die Fackel aufhob, rann die Substanz auf seine Kleider, die sofort Feuer<br />

fingen. Auch dieses Kind konnte sich durch seine geistesgegenwärtige Reaktion vor<br />

Verbrennungen schützen. Es wälzte sich im Schnee <strong>und</strong> erstickte so die Flammen.<br />

Die Lösung war ebenfalls auf die hölzerne Kirchenbrücke aufgetragen worden, so<br />

dass ein ahnungsloser Passant, der mit seinen genagelten Schuhen Funken geschlagen<br />

hatte, die Brücke in Brand setzte. Der „Arbeiterwille“ war davon überzeugt,<br />

Nationalsozialisten seien für diese „neuesten Streiche“ verantwortlich, war doch<br />

das katholische Vereinsheim mit Hakenkreuzen beschmiert worden. 740 Tags darauf<br />

explodierte vor demselben Gebäude ein Papierböller, der erneut Schaden anrichtete.<br />

• Leoben <strong>und</strong> Donawitz<br />

Ebenfalls im Dezember 1933 flog eine mit Tränengas gefüllte Blechdose in das Exerzierlokal<br />

der Ortsgruppe des österreichischen Heimatschutzes in Donawitz. Die<br />

Unterkunftslokale der von den Nationalsozialisten verhassten Gendarmerie-Assistenzmannschaften<br />

741 in Donawitz <strong>und</strong> Leoben wurden ebenso Ziel von Papierböller-<br />

738 StLA ZGS (BKA) K.85/12 (Fol.1195–1199).<br />

739 StLA ZGS (BKA) K.83/10 (Fol. 861–862; 1145–1147)<br />

740 StLA ZGS (BKA) K.83/10 (Fol.1182–1183).<br />

741 Gebhardt, Gendarmerie, S. 257–258: Die staatliche Exekutive war auf Gr<strong>und</strong> der Propaganda-<br />

<strong>und</strong> Terroraktionen der verbotenen Parteien bald überfordert. Um sich die Kosten einer<br />

Personalaufstockung zu ersparen, entschied man sich für die Billigvariante eines „Freiwilligen<br />

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