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Marina Brandtner Diskursverweigerung und Gewalt

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196<br />

im Eingangsbereich aufhielten, als an der Veranstaltung teilnahmen. Den Exekutivbeamten<br />

blieb nichts anderes übrig, als zwischen Hotel <strong>und</strong> Straße einen Kordon zu<br />

ziehen. Als dennoch zwischen den nun alkoholisierten Gegnern <strong>und</strong> der Exekutive<br />

eine Auseinandersetzung wegen Ehrenbeleidigung entstand – ein Heimatschützler<br />

behauptete, sie seien mit „Lausbuben“ beschimpft worden – drohte die Situation abermals<br />

zu eskalieren. Eine Beruhigung trat erst ein, als der Gösser Bürgermeister Flatt<br />

<strong>und</strong> sozialdemokratische Funktionäre aus Leoben ernste Ermahnungen aussprachen.<br />

Am gefährlichsten schien die Lage, als sich die Heimatschützler anschickten, in<br />

Doppelreihen nach Hause zu marschieren; daher wurden die Zuschauer von der<br />

Gendarmerie solange zurückgehalten, bis die Heimatschutztruppen außer unmittelbarer<br />

Reichweite waren. Trotzdem gelang es etwa 50 Verfolgern, die von dannen<br />

Marschierenden einzuholen <strong>und</strong> ihnen im Flüsterton „Schweine“ zuzurufen. Wieder<br />

gelang es den vor Ort anwesenden Gendarmen, die Gegner auseinanderzuhalten <strong>und</strong><br />

eine weitere blutige Schlägerei zu vermeiden. 631<br />

5.1.5.7 Kapfenberg als Epizentrum der Unruhen<br />

Im letzten Jahr vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise konnte der Heimatschutzverband<br />

– auch dank in- <strong>und</strong> ausländischer Unterstützung – seinen „Siegeszug“<br />

fortsetzen. Der Leobener Bezirksgendarmeriekommandant Johann Erhart notierte<br />

in seiner Chronik, die Ortsgruppe Donawitz habe seit ihrer Gründung im Herbst<br />

1927 gewaltigen Zulauf verzeichnet <strong>und</strong> bereits 2600 Mitglieder, über 50 Prozent<br />

der gesamten „hiesigen Arbeiterschaft“, in ihre Reihen geholt. 632 In den Jahren 1928<br />

bis 1930 entwickelte sich jedoch nicht Leoben, sondern Kapfenberg <strong>und</strong> Umgebung<br />

zu einem Kristallisationspunkt gewalttätiger Vorfälle. In den allermeisten Fällen<br />

handelte es sich hierbei um organisierte Überfälle bei Versammlungen oder Aufmärschen<br />

(Steinwürfe, Hieb- <strong>und</strong> Stichwaffen, Faustfeuerwaffen) sowie um Provokationen<br />

einzelner oder kleinerer Gruppen auf offener Straße oder in Wirtshäusern<br />

(Raufhandel). Am emotionsgeladenen Tag der Arbeit 1929 wurde eine Autokolonne<br />

des Heimatschutzes, die von einer Störaktion in St. Marein im Mürztal heimwärts<br />

fuhr, auf dem Kapfenberger Hauptplatz von Mitgliedern des Republikanischen<br />

Schutzb<strong>und</strong>es überfallen <strong>und</strong> mit Steinen beworfen. Die „Neue Freie Presse“ berichtete,<br />

die Heimatschützler waren aus den Lastautos gezerrt <strong>und</strong> geschlagen worden.<br />

Während der anschließenden etwa halbstündigen Schlägerei seien insgesamt 19 Personen<br />

verletzt worden, darunter 17 Heimatschützler. Der Überfall der Schutzbündler<br />

sei ein Racheakt gewesen, hieß es, weil die Heimatschützler versucht hatten, den<br />

Auftritt des bei der „heimattreuen“ Bevölkerung verhassten Koloman Wallisch bei<br />

der Maifeier in St. Marein zu vermasseln. Die Kakophonie dreier Musikkapellen <strong>und</strong><br />

einiger Motorräder sollte die Festrede Wallisch’ übertönen. Die sozialdemokratische<br />

Korrespondenz behauptete, nicht die Heimatschützler, sondern die Schutzbündler<br />

631 StLA ZGS (BKA) K.74/1 (Fol. 56–61).<br />

632 Chronik des BGK Leoben, 1928.

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